Geschichten in gezeichneten Landschaften
Sabine Drösler. Foto: Petra Kurbjuhn
Ausstellung in Holzkirchen
Eine Welturaufführung nennt Sabine Drösler ihre Ausstellung in der Galerie im Autopavillon Steingraber. Die unter dem Titel „Vision und Wirklichkeit“ gezeigten Farbstiftzeichnungen aus zwei Jahrzehnten waren noch nie zu sehen. Jetzt endlich dürfen sich Besucher daran erfreuen.
Sabine Drösler ist im Landkreis eher als Grafikerin bekannt, ihre Druckgrafiken waren in mehreren Ausstellungen zu sehen. Jetzt aber beweist sie, dass sie eine ganz außerordentliche Zeichnerin ist, die mit einer eigenen Handschrift den Betrachter fasziniert.
Seezeichen/Hiddensee. Foto: Petra Kurbjuhn
Sie mache viele Fotos auf ihren Reisen, die sie von Süditalien bis nach Irland führen, erzählt sie. Daraus komponiere sie dann ihre Bilder. Diese wirken zunächst wie kleine Bühnenbilder, streng im Format, aber zunehmend brechen einzelne Formen und Strukturen aus dem Bild heraus. Waren es vor zwanzig Jahren nur winzige Segmente, sind es heute ganze Pfosten und Bojen, die sich nach vorn drängen.
Fast gestrandet/Hiddensee. Foto: Petra Kurbjuhn
Bewegung ist es, was Sabine Drösler in ihren Bildern erzeugt. Nicht nur durch die aus- und aufbrechenden Formen, sondern auch durch den Wind, den man förmlich wehen spürt und die salzige Meeresluft schmeckt. Die Schaumkronen auf den Wellen, die wehende Wäsche auf der Leine, die im Wind zerzauste Birke oder die schwankenden Gräser sind schlicht schön.
Schönheit aus Versenkung
Schön? Künstlerkollege Herbert Schmid machte in seiner Laudatio auf zwei Missverständnisse oder Fallen bei der Betrachtung der Dröslerschen Kleinode aufmerksam. „Schön“ und „das kenn ich doch“. Natürlich seien die Bilder schön, meinte er und nahm als Beispiel das Wollgrasbild, bei dem die zarten verschwommenen Formen sich im Winde bewegen, das ganze in Weiß und Blau auf graues Papier gezeichnet. Aber die Gefahr bestehe darin, in Richtung „hübsch“ und „dekorativ“ zu denken. Sabine Dröslers Bilder aber seien von einer Schönheit, die aus tiefer Versenkung rühren und deshalb einen großen Zauber ausstrahlen.
Laudator Herbert Schmid. Foto: Petra Kurbjuhn
Auch bei „kenn ich schon“ greife der Gedanke zu kurz. Natürlich habe man schon Bilder von Venedig gesehen, mit den blauweiß gestreiften Pfosten am Ufer. Aber schaue man genauer hin, dann sehe man im Vordergrund den Turm mit den Fenstern und dasselbe im Hintergrund. Eine surreale Szenerie, die sich erst erschließe, wenn man sich Zeit nehme. „In ihren Bildern liegt neben dem, was abgebildet ist, noch ganz viel anderes“, sagte Herbert Schmid. Da Sabine Drösler in ihrem Atelier durch Introspektion ihre Eindrücke verdichte, synthetisiere sie die Landschaft.
Geschichten mit offenem Ausgang
Letztlich erzählt die Künstlerin Geschichten oder zumindest den Anfang einer Geschichte, dessen Ausgang offen ist. Im Wollgrasbild sind im Hintergrund Kreuze zu sehen, da im Titel „Irland“ steht, könne man, so Herbert Schmid, an keltische Kreuze denken und die Wollgrasgespinste könne man sich als Gespenster denken. Eine andere Geschichte wäre, dass die Kreuze einen Friedhof darstellen und die weißen Formen Seelenvögelchen zuzuordnen sind.
Étang de Vaccarès/Camargue. Foto: Petra Kurbjuhn
So ist die zauberhafte Ausstellung eine Einladung auf Entdeckungsreise zu gehen, hineinzuschauen in die Tiefe des Bühnenbildes, ausbrechende Formen wahrzunehmen und sich eine Geschichte zusammen zu spinnen: „Zwischen Vision und Wirklichkeit“.