Camehn

Camehn – äußerst angenehm!

Volker Camehn in Otterfinger Nachmittagsidylle. Foto: Sabiene Hemkes

Der Wahl Otterfinger Lyrik-Punk Volker Camehn veröffentlicht sein siebtes Werk: „Zum Glück geht es immer geradeaus“. Wer jedoch dahinter ein weiteres Ratgeberbuch mit der Anleitung zum Glücklichsein wähnt, liegt mächtig daneben. Zum Glück.

Neuerscheinung auf dem Buchmarkt

Umtriebig gelassen sitzt Herr Camehn in einem mit Melonen bedruckten Überzug seines Gartenstuhls auf dem Otterfinger Balkon. Lässig in der Ecke sitzend, wendet er den Blick in meine Richtung. Ich schaue ihn an und manchmal an ihm vorbei auf die Rindviecher im Hintergrund der Landidylle.

Camehn Volker Camehn Kritisch sanft und spitzzüngig. Foto: Sabiene Hemkes

Volker Camehn ist Autor. Jüngst hat er sein siebtes, selbst verlegtes „Büchlein“ veröffentlicht. Was beileibe nicht despektierlich gemeint ist, sondern ich zitiere hier nur aus dem ebenfalls eigen verfassten Pressetext. Seit 2016 veröffentlicht der als freier Journalist, unter anderem für den heimischen Merkur Tätige, Lyrikbände in der Reihe Prost & Prosa. Teils in reiner Form, teils als Songtext und manches Mal einfach nur so.

Camehn – Euphemismus als Chance

In „Zum Glück geht es immer geradeaus“ präsentiert sich der „Lyrik Punk“, so als Untertitel im eigenen YouTube-Channel zu finden, als Alltags-Kolumnist. Alle Texte sind bereits über die Jahre im Lokalteil des Münchener Blattes erschienen. Befreit von den lyrischen Fesseln nährt hier Herr Camehn seine pessimistisch liebevolle Sicht auf die Welt. Ein Leben zwischen Pandemie-Ängsten, S-Bahn Störungen, gar nicht so leisem Landleben und digitalem Biedermeier.

Camehn Volker Camehn’s Humor als literarischer Wegbegleiter. Foto: Sabiene Hemkes

Wenn sich etwa Volker Camehn über den Euphemismus als Chance oder die aufs sprachliche Abstellgleis verfrachteten Schachtelsätze hermacht, wird klar: Volker Camehn ist unleugbar ein Kind der 80er. Der guten Achtziger. Der Generation zwischen den Zeiten. Das bunte Hippietum knapp verpasst und viel zu früh für das coole Zeug des neuen Jahrtausends auf die Welt gekommen. Nicht bunt, sondern gleich mal Neon. Einer Generation, die satt, gesichert und selten auf der Suche war.

Ich wäre gern Punk gewesen

Zu allem Überfluss erlernte der spätere Journalist in Niedersachsen, wo man damals noch hochdeutsch lebte, das Sprechen und Schreiben. Bürde und Freude zugleich. Was bleibt da anderes als Spießertum leben oder den Ausbruch wagen. „Ich wäre gern ein Punk gewesen“, berichtet mir Volker Camehn schmunzelnd. Doch sei er dafür zu klein und die Haare ohnehin zu lang gewesen.

Natürlich habe ihm auch der Mut gefehlt. Auf dem Foto des Buchcovers trägt der Autor ein KISS-Shirt und auf dem idyllischen oberbayrischen Balkon ziert seine Brust ein weiß auf schwarzem Grund platziertes „Wort und Totschlag“. Darunter kleiner: Zweitausendundeins, das Kult-Amazon der Andersdenkenden mit Bestellformular und Merkheft einer längst vergangenen Zeit.

Camehn Volker Camehn – der mit Worten spielt. Foto: Sabiene Hemkes

Das siebte Buch des Otterfingers, welches keineswegs nach der Verniedlichungsform schreit, bereitet mir beim Lesen, neben einem manchmal schamhaften Wiedererkennen, definitiv Freude und seligen Genuss. Nicht etwa, weil ich ebenfalls in Niedersachsen geboren wurde und fast gleich alt bin. Es ist dieser wunderbare und -same Umgang mit den Worten und Sätzen. Einfach (weg)lesen ist nicht. Absetzen – kurzes irritiertes Innehalten – und von vorn starten ist oft angesagt. Eine Wohltat fürs oft durch Stakkato gestresste Leserhirn. Literarische Entschleunigung.

Abseits von Stinke- wie Zeigefinger

Die Kolumnen entwickeln sich fast lässig ohne den so bei uns so beliebten Zeige- oder Stinkefinger. Entbehren der plakativen Bösartigkeit so manchen Kommentars. Klagen nicht an, sondern begleiten tief in die Scham der Auswüchse unserer Zeit. Kein Sezieren, kein offensichtliches Bloßstellen. Dennoch zynisch, bissig und vor allem mit dem Potenzial über die anderen wie sich selbst ein böses Lächeln zu gönnen.

Camehn Volker Camehn – wer es haben will, soll mich fragen. Foto: Sabiene Hemkes

Auch wenn Volker Camehn neben dem Faktor Mensch das Internet und seine unendlichen Möglichkeiten immer wieder als Teil des Problems identifiziert, ist der Autor beileibe kein Digital-Verweigerer. Ganz im Gegenteil. Der eigene YouTube-Kanal, Facebook, Instagram Profil lassen keinen Zweifel übrig und selbst bei TikTok ist der Otterfinger Autor kein Unbekannter.

Eben einer, der nicht in die digitale Welt hineingeboren wurde, sondern in dieser alt wird. So antwortet Volker Camehn auf meine Frage, ob selbst Sprachakrobaten wie er in absehbarer Zeit unbemerkt von einer KI ersetzt werden, zu meinem Erstaunen lakonisch und wertfrei mit: „Warum nicht? Das kann ich mir durchaus vorstellen.“

Warum im Eigenverlag?

Ich selbst frage mich an diesem Freitagnachmittag inmitten des Otterfinger Bauernidyll immer wieder: Warum veröffentlicht dieser leicht ergraute, zugegeben nicht große und völlig unscheinbare Typ seine „Büchlein“ der Prost & Prosa Reihe immer noch im „Eigenverlag“? Nicht nur das. Nur ein lokaler Buchladen in Holzkirchen hat „Zum Glück geht es immer geradeaus“ im Angebot. Was läuft da bitte schief im bundesdeutschen Verlags- und Buchmarktgeschäft?

„Wer das Buch lesen will, kann mich ja direkt fragen. Ich mag niemandem hinterherlaufen“, kommt es stattdessen vom Wahl-Otterfinger. Absolut frei von jeder Bitterkeit oder Desillusion. Ich kaufe es ihm ab, was mich selbst erstaunt. Auch das ist voll achtziger, kommt es mir in den Sinn. „Wer nicht will, der hat schon“, ist einer der Sprüche, die meiner/unserer Generation anhaften wie ein Vogelschiss.

Nach über drei entspannten Balkon-Plauderstunden verlasse ich Volker Camehn wieder. Offen gestanden und fernab von ländlicher Idylle war das Treffen äußerst angenehm.

Auch spannend: Volker Camehn und die geliebte Musik

Übrigens kommt „Zum Glück geht es immer geradeaus“ dann doch nicht ganz ohne Camehn’s Gedichte und Songtexte daher. Im Anhang finden sich auch einige neue Gedichte und Songtexte des gern tiefstapelnden „Breitensport-Lyrikers“.

Das siebte Buch „Zum Glück geht es immer geradeaus“, wie auch alle zuvor erschienen Bücher der Prost & Prosa Reihe, ist erhältlich in der Holzkirchner Bücherecke sowie beim Autor selbst. Und hoffentlich bald in jeder Buchhandlung des bayerischen Oberlandes.

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