Vom Kommen und Gehen
Blick in die Ausstellung. Foto: Isabella Krobisch
Ausstellungen in Miesbach
Eine beeindruckende stille Ausstellung präsentiert Siglinde Berndt im Kulturzentrum Waitzinger Keller. Metaphorisch hat sie das Thema „Kommen und Gehen“ bearbeitet. Sie wird ergänzt von Gesprächen, die in einer Videoaufzeichnung zu sehen sind.
Besuchende des Kulturzentrums werden vom Erdgeschoss bis in die 1. Etage von Schuhen begleitet. In der Mitte hängen Wolken, auf einigen sind menschliche Figuren zu sehen. Oben im Galerieraum empfängt als erstes ein Schiff, daneben stehen Koffer.
All dieses Symbole erzählen vom Unterwegssein, wie Laudatorin Dr. Evelyn Frick in ihrer Einführung bei der Vernissage am Freitagabend sagte. Die Rosenheimer Kunsthistorikerin stellte Siglinde Bernd als eine profilierte Künstlerin vor, die sich bereits seit 2007, als die ersten Flüchtlinge auf Lampedusa ankamen, diesem Thema widmet. „Geändert hat sich bis heute nichts, es ist keine Lösung in Sicht“, kommentierte die Rednerin.
Schuhe im Treppenaufgang. Foto: Isabella Krobisch
In mehreren Ausstellungen habe die Künstlerin aus Neubeuern das Thema variiert und immer wieder sei das Schiff als Metapher für die Lebensreise des Menschen ein Ausdruck für Bedrohung einerseits aber auch für Ruhe und Stille andererseits.
Das Unterwegssein, so erklärte Evelyn Frick, könne freiwillig und unfreiwillig geschehen und so stellte sie auch das Zelt als Metapher sowohl für eine Notbehausung als auch für den Campingurlaub vor. Jeder dürfe bei der Betrachtung der Arbeiten von Siglinde Bern frei assoziieren, sie regten zum Nachdenken ebenso wie zum Schmunzeln an.
Koffer. Foto: isabella Krobisch
Siglinde Berndt arbeite mit einfachen, preisgünstigen Materialien, informierte die Laudatorin, so sind die Installationen aus festem Papier gefertigt, die sie mit Schelllack besprüht. Die Objektkünstlerin und Malerin habe sich auch dem Aktzeichnen gewidmet. Ihre menschlichen Figuren in sehr unterschiedlichen Haltungen sind ausgeschnitten und auf die Installationen oder auf Papier aufgeklebt.
Da sie in Erdtönen gefertigt sind, verleihen sie den Arbeiten eine melancholische Stimmung. Wie Schattenfiguren oder Scherenschnitte wirken die Menschen, unwirklich.
Wie geht es weiter?
Ein Bild sticht heraus, denn es ist in kräftigen Farben und ohne Menschen gemalt. Die Rauten in Rot- und Grüntönen seien Schiffe von oben betrachtet, erklärte Evelyn Frick.
Im hinteren Bereich trifft der Besuchende auf Installationen, der man aus der Kindheit kennt. Je nachdem, wie man sie öffnet, erscheint ein anderer Körper: Himmel oder Hölle. „Wo bin ich und wie geht es weiter“, für diese Fragen stehen diese Arbeiten, sagte die Rednerin.
Bürgermeister Dr. Gerhard Braunmiller, Laudatorin Dr. Evelyn Frick und Veronika Berndt, Tochter der Künstlerin. Foto: Isabella Krobisch
Sie schloss ihre Einführung mit der Feststellung, dass Siglinde Berndt einen eigenen Stil mit hohem Wiedererkennungswert entwickelt habe. „Sie erzählt vom Kommen und Gehen und vielleicht vom Bleiben.“
Bei seiner Begrüßung hatte Bürgermeister Dr. Gerhard Braunmiller Kulturamtschefin Isabella Krobisch für ihr gutes Händchen bei der Auswahl des Programms im Kulturzentrum gelobt. Diese besondere Ausstellung eröffne die neue Spielsaison in Miesbach und greife wieder einmal ein gesellschaftspolitisches Thema auf.
Sie wird begleitet von einem Projekt, das Integrationsbeauftragte Inge Jooß und Lisa Braun-Schindler, Sprecherin des PIA – Netzwerkes Integration initiiert wurde. „Menschen mit mehreren Heimaten, die sich Miesbach verbunden fühlen, haben mit Stadtschreiberin Verena Wolf gesprochen“, sagte das Stadtoberhaupt. Die Videoaufzeichnungen sind in Ausschnitten im Foyer während der Ausstellungszeit zu sehen.
Gespräche über das „Kommen und Gehen“
„Wir haben elf Menschen interviewt“, informiert Inge Jooß, darunter eine Vietnamesin, die nach der Wende aus de DDR gekommen sei, eine Bosnierin, die aufgrund des Krieges 1995 aus der Heimat flüchtete, ein Flüchtling aus Nigeria, ein typischer Asylbewerber, der hier eine Ausbildung machte, oder eine syrische Mutter mit ihrem Sohn.
Eine türkische Migrantin in zweiter Generatio, deren Eltern als Gastarbeiter kamen, habe sie ausgewählt, sagt Lisa Braun-Schindler. Ebenso eine Aussiedlerin, die 1990 aus Kasachstan kam, auch eine Bulgarin und ein Afghane. „Der Tenor war, wie sie es geschafft haben, hier anzukommen“, berichtet die Netzwerksprecherin, „jeder der Interviewten hat seinen Platz gefunden“.
Sigline Berndt mit ihren „Seelenschifferl“. Foto: Isabella krobisch
Ausgangspunkt für die Ausstellung „Vom Kommen und Gehen“ sei ein Zufall gewesen, sagte Evelyn Frick, und Zufälle seien oft Impulse für etwas Neues. Isabella Krobisch besuchte eine Ausstellung auf Schloss Hartmannsberg und sah dort die „Seelenschifferl“ von Siglinde Berndt. Seit 2020 habe die Künstlerin für jeden im Landkreis Rosenheim an, mit oder nach Covid 19 Verstorbenen ein Schifferl mit Trauerrand gefaltet, 945 insgesamt. Diese Gedenkausstellung wird vom 10. bis 15. Oktober täglich von 14 bis 18 Uhr in der Portiunkulakirche Miesbach, Münchner Straße 7 zu sehen sein.
Siglinde Berndt konnte wegen Erkrankung nicht an der Ausstellungseröffnung teilnehmen. Für sie bedankte sich Tochter Veronika Berndt für die Möglichkeit, die Werke ihrer Mutter in Miesbach ausstellen zu dürfen.
Zum Weiterlesen: Für die Integration