Was hindert uns daran zu handeln, obwohl wir wissen?
Vom Wissen zum Handeln. Foto: Rainer Sachs
Vortrag in Miesbach
Dem Thema „Vom Wissen zum Handeln“, insbesondere bezogen auf den Klimawandel, widmete sich Risikoforscher Rainer Sachs in seinem Vortrag im Rahmen des Klimafrühlings auf Einladung der Initiative „anders wachsen“ im Katholischen Bildungswerk in Miesbach und regte zu lebhafter Diskussion an.
Seit 50 Jahren seien die Fakten bekannt, begann der Vortragende, und jetzt spüren auch wir deutlich die ersten Konsequenzen der globalen Erwärmung. Der promovierte Physiker befasste sich lange mit Kosmologie und Chaostheorie und arbeitet als Risikoberechner in der Versicherungsbranche. Er habe gelernt, dass Modellierungen sinnvoll seien, aber manches sei eben nicht berechenbar.
Vom Wissen zum Handeln
Das habe etwas mit gefühltem Wissen und gefühlten Überzeugungen zu tun. Die Fakten indes seien eindeutig wissenschaftlich belegt: Die globale menschengemachte Erwärmung unserer Erde, die Zunahme der Konzentration der Treibhausgase seit der Industrialisierung, die Erwärmung der Ozeane und damit der Anstieg des Meeresspiegels sowie die Übersäuerung der Meere. Diese Indikatoren erreichten neue Höchstwerte.
Dr. Rainer Sachs. Foto: MZ
„Wie geht es weiter?“ fragte der Risikoforscher und stellte die massiven Auswirkungen sowohl was Starkregen und Stürme anbelangte dar, als auch die Grenzen menschlicher Wärmeregulierung. „Die Menschen aus den Hitzeregionen werden flüchten.“
Einfluss von Affekten
Man wisse das alles, aber das Handeln hinke hinterher. Das liege daran, dass der Mensch bei Veränderungen mit der Bewertung von Nutzen und möglicherweise schädlichen Nebenwirkungen seiner Entscheidungen oftmals kognitiv überfordert ist.
Ein großes Problem sei die Diskrepanz zwischen scheinbarer Genauigkeit und waghalsigen Annahmen, wenn man etwas nicht so genau wisse. Wie könne man dann dennoch gute Entscheidungen treffen? Das sei schwierig, denn viel laufe intuitiv und unter dem Einfluss von Affekten ab. Hier sei vor allem Angst ein wesentlicher Faktor. „Bei Angst wird der Nutzen unterschätzt und die Nebenwirkungen werden überschätzt.“ Auch ein vorherrschendes Grundgefühl führe zu Beeinflussung von Entscheidungen. „Wenn ich mich gut fühle, dann mache ich es.“
Heuristik von Entscheidungen. Grafik: Rainer Sachs
Auch neige der Mensch dazu, schwierige Fragen unbewusst in einfache zu übersetzen und dann falsch zu entscheiden. Beispiel: „Finde ich diese Veranstaltung sinnvoll?“ wird entschieden anhand „Finde ich den Referenten sympathisch?“
Finde ich den Referenten sympathisch?. Foto: MZ
Ein weiteres Problem ist die Vorstellungskraft, die Rainer Sachs anhand des Urnenbeispiels verdeutlichte: In einer Urne sind 20 000 weiße Kugeln und eine schwarze. Wer die schwarze zieht, wird erschossen. Im Experiment weigern sich auch beim Versprechen großer Geldbeträge viele Menschen teilzunehmen. Aber die Wahrscheinlichkeit, die schwarze Kugel zu ziehen ist ebenso groß wie im Straßenverkehr zu sterben.
„Es mangelt an mathematischer Kompetenz und an der Fähigkeit, Statistiken zu lesen“, sagte der Redner.
Ressourcen. Grafik: Rainer Sachs
Was also seien neue Perspektiven? „Statt sich vor dem schrecklichen zu fürchten, sollen wir nach dem schönen streben.“ Dazu gehöre einerseits Wissen mit Vielfalt von wissenschaftlichen Methoden,daneben aber seien weiche Werkzeuge, wie Vertrauen, Mitgefühl und Sehnsucht wesentlich.
Für den ersten Schritt sei die Macht der Visionen hilfreich. Dazu zeigte Rainer Sachs den verblüffenden Film eines Shaolinmönches, der sich nicht auf das Problem fokussierte, sondern auf die Lösung schaute.
Wissen und Vertrauen
Rainer Sachs betonte, dass Wissen und Vertrauen die Basis für erfolgreiches Handeln sind und veranschaulichte das mit dem Zitat aus dem Islam: „Vertraue auf Allah, aber binde dein Kamel an.“ Neugier und Lernfähigkeit dürften nie aufhören.
Die Kompetenzen für eine erfolgreiche Veränderung fasste er mit fünf Punkten zusammen:
- Beziehung zu sich selbst
- Intelligentes und beseeltes Denken
- Beziehung zu anderen
- Zusammenarbeit
- Handeln
Das Publikum steuerte während des Vortrages eine Vielzahl von eigenen Gedanken und Visionen bei und war sich einig, dass es nötig ist, weite Bevölkerungskreise mit diesen Denkansätzen bekannt zu machen. Aber wie?