Von Äpfeln und Birnen

Von Äpfeln und Birnen

Lina Kolb, Johannes Hiltl und Lea Wagner (v.l.). Foto: MZ

Ausstellung in Holzkirchen

Mit einem neuen, frischen, anderen Ausstellungskonzept und spannenden Exponaten überraschen zwei Kunststudentinnen und ein Kunststudent in der Galerie im Autopavillon Steingraber. Alle drei befassen sich trotz unterschiedlicher Werke intensiv mit existenziellen Fragen.

Die runde Säule ist mit Zeichnungen umhüllt, Bilder hängen nicht an der Wand, sondern sind an einer Leine befestigt, mehrere Installationen liegen am Boden und in der Ecke fallen tapetenähnliche Rollen von der Decke.

Von Äpfeln und Birnen
Lina Kolb: Ella. Foto: MZ

Lea Wagner, Lina Kolb und Johannes Hiltl, Kunststudenten aus Regensburg, haben miteinander ein Konzept entwickelt, das aus dem Rahmen fällt und neugierig macht auf das, was junge Künstlerinnen und Künstler heute bewegt. Kurator Horst Hermenau drückte es so aus: „Man glaubt, mit 70 habe man das Maß, aber die Ästhetik wandelt sich.“ Was aber bleibe, das sei die Befassung mit dem Bildnerischen.

Von Äpfeln und Birnen
Laudatoren Elias Nunner und Moritz Flado, sowie Kurator Horst hermenau (v.l.). Foto: MZ

In ihrer intelligenten und humorvollen Laudatio untersuchten die Regensburger Studienfreunde Moritz Flado und Elias Nummer das Thema der Ausstellung „Von Äpfeln und Birnen“ physikalisch, philosophisch und alltagsmäßig. Wie der Titel sage, gebe es sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten in ihren Arbeiten. „Sie haben den Baum wachsen lassen“, sagten sie und alle drei stellten die wesentlichen Fragen, die Frage nach dem Selbst, nach dem Suchen und nach dem Alltagsleben.

Lea Wagner und das Selbst

Die 22-jährige ehemalige Schülerin von Horst Hermenau verwendet unterschiedliche Techniken, um sich auf die Spurensuche zu begeben. In ihren Holzdrucken geht sie der Frage nach, welche Spuren wir hinterlassen und wie wir unbewusst vorgegebenen Trampelpfaden automatisch folgen. Dieses unbewusste Tun übertragen wir ins Alltägliche.


Lea Wagner: Spuren I und II. Foto: MZ

Neue Räume eröffnen sich für Lea Wagner durch Spiegelungen, die für den Menschen nicht erfahrbar, aber durch die Fotografie nachvollziehbar sind.

Von Äpfeln und Birnen
Lea Wagner: weg und Lydia, davor: Lina Kolb: Kleidungsstücke. Foto: MZ

In der gegenständlichen Acrylmalerei befasst sie sich mit ihrem Selbst und dem Gegenüber. Sie malt sich selbst vor dem Spiegel sitzend ebenso wie auf dem Weg oder weg? Sie trägt die Jacke der Mutter und symbolisiert Verbundenheit ebenso wie Abnabelung. „Lydia“ ist das Bild der Mutter, gemalt indes nach Fotos des jungen Mädchens. Der verträumte Blick, das Spielerische weisen hinüber zur Tochter.

Die Bedeutung des Selbst in der Gruppe untersucht Lea Wagner in ihrem Bild „Projektionsfläche“, das im Erdgeschoss zu finden ist. Wie kommunizieren wir miteinander, was passiert in der Begegnung?

Johannes Hiltl und die Suche

Als erstes fällt die ungewöhnliche Installation „Donauufer“ auf, die das Ausstellungskonzept: Weg von der Wand, hinein in den Raum, unterstreicht. Auf der Suche sammelte der 26-Jährige Naturmaterialien, tränkte Blüten in Farbe und druckte auf Papier und vereinte alles auf einer langen Leinwand. Diese experimentelle Arbeit ergänzt die Malerei des jungen Künstlers.


Johannes Hiltl: Donauufer. Foto: MZ

Zwei große Bilder im Obergeschoss und zwei kleinere im Erdgeschoss zeigen expressive Arbeiten, die aus der jeweiligen persönlichen Stimmung herausstanden. Bewusst habe er keine Titel gegeben, sagt Johannes Hiltl, weil er keine Deutung vorgeben wolle. Es sind sehr persönliche Bilder, die eine Aufbruchstimmung ins Bildnerische umsetzen.


Lina Kolb: Fluent Gelato und Johannes Hiltl: oT. Foto: MZ

Den Acrylbildern ist eigen, dass sie schwungvoll, lebhaft aus der Tiefe heraus gemalt sind und sowohl in der Komposition als auch in der Farbgebung harmonisch wirken. Der Kunststudent lässt den Betrachter durch die Pinselspuren an seinem Malprozess teilhaben. Seine Arbeitsweise anhand von Stimmungen wird auch an den Bleistiftzeichnungen sichtbar, die er unkonventionell an die runde Säule an der Treppe gepinnt hat.

Lina Kolb und Geschichten

Den Arbeiten der 22-Jährigen ist sämtlich ein Augenzwinkern gemeinsam. Lina Kolb macht sich auf den Weg, Alltags- und Abfallprodukte künstlerisch umzuwidmen und damit Geschichten zu erzählen. So hat sie ausgediente Elektroverpackungen mit Holzstäbchen und Latex versehen und damit die Assoziation zu Stieleis erzeugt. Den allgegenwärtigen Zeitdruck symbolisiert sie durch das schmelzende herunterlaufende Eis.

Aus Modellbaurasen produziert die Kunststudentin einen Restbestand von Badeschlappen im Ausverkauf, allerdings nur noch in Größe 39 erhältlich.

Die strengen Auswahlregeln einer bayerischen Brotzeit nimmt Lina Kolb mit ihrer bedruckten Tischdecke aufs Korn. Typischerweise sind schon alle Fleisch- und Wurstprodukte verzehrt, nur noch ein welkes Radieserl, eine Essiggurke und eine angebissene Brezn sind übrig. Köstlich.


Lina Kolb: Brotzeit. Foto: MZ

Eine Hommage an Oma Ella sind die Papierrollen im Eck. Eine Armee von Einweckgläsern hat Lina Kolb mit Edding gezeichnet und würdigt damit die Vorratshaltung der schwäbischen Oma ebenso wie sie die gespeicherte Energie in den Einmachgläsern darstellt.

Sie habe Spaß an der Konservierung, sagt sei. Dies wird auch in ihren getragenen und danach in Gips getränkten Kleidungsstücken sichtbar, denen man noch ansieht, dass sie einmal auf Wäscheständern hingen. Die Kombination zum dahinter hängenden Bild von Lea Wagner, auf dem sie die Jacke ihrer Mutter trägt, stellt eine gewollte Verknüpfung dar.


Johannes Hiltl: oT, Lea Wagner: Selbstbild sitzend und davor: Lina Kolb: Geschlappt. Foto: MZ

Auszeichnung für „Von Äpfeln und Birnen“

So ist „Von Äpfeln und Birnen“ einerseits die Werkschau sehr unterschiedlicher junger Künstlerpersönlichkeiten, denen aber andererseits die ernsthafte Suche nach dem Existenziellen gemeinsam ist. Zudem ist das Ausstellungskonzept ein Kunstwerk an sich. Kein Wunder, dass es mit dem Jugendkulturförderpreis des Bezirks Oberbayern ausgezeichnet wurde.

Die Ausstellung „Von Äpfeln und Birnen“ ist in der Galerie im Autopavillon Steingraber in der Robert-Bosch-Straße 1 Holzkirchen bis zum 7. September 2023 zu sehen.

Die Ausstellung passt ideal zum zeitgleich verlaufenden Nachwuchsfestival LandkreisTalente von KulturVision e.V.:

Gelungene Workshopwoche der LandkreisTalente

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