Von Kracherln und Notfallgebissen
Agnes Kraus alias Kathl. Foto: Monika Ziegler
Unterhaltsame Führung durch Holzkirchen
Für alteingesessene Holzkirchner ebenso wie für Neubürger ist der kulinarisch-humorige Streifzug durch die Marktgemeinde unter dem Titel „Holzkirchner Gschichtn“ mit der Kathl und ihrem alten Leiterwagen ein Hochgenuss. „Gemma, gemma!“
Eine super Idee ist es von der Münchner Schauspielerin Agnes Kraus, ihre unterhaltsamen Führungen durch die Landeshauptstadt auch hinaus nach Holzkirchen zu verlagern. Als Kathl, die der Liebe wegen vor 40 Jahren aus dem Norden zureiste, nimmt sie am Bahnhof die Gäste mit auf einen informativen und lustigen Streifzug entlang der Münchner Straße bis hin zum Marktplatz.
Dabei erzählt sie eine Menge Wissenswertes ebenso wie Gschichterln und die eingesessenen Holzkirchner nicken oder ergänzen aus eigenem Erfahrungsschatz. Von der Postkutsche und der ersten Eisenbahn, die der Teufel holen sollte, erfährt man ebenso wie von den Bahnarbeitern aus der Oberpfalz, die keinen Zutritt zum Krankenhaus hatten, dafür aber gab es ein eigenes Wannen- und Brausebad in den Eisenbahner-Häusern gegenüber vom Bahnhof.
Der Berg ruft
Dass die feschen Verkäuferinnen vom Stoffgeschäft Jennerwein mit den feschen Burschen der Metzgerei Kraft poussierten und Anna Jenenrwein sogar an Weihnachten noch Stoff verkaufte („sie wird auch im Himmel noch verkaufen“) erzählt die Kathl und zieht dann weiter zum Fuße des Kramlberges, wo der Nichtbayer über daen Begriff „Kracherl“ aufgeklärt wird.
Konditor Albert Kraml. Foto: Monika Ziegler
Und dann geht es hinauf. „Der Berg ruft“ meint die Kathl und nach dem anstrengenden Aufstieg gibt es von Albert und Johanna Kraml die feinsten Leckereien zur Belohnung. Von Kathl indes die spannendsten Geschichten über Senior Otto Kraml, der seinen Oldtimer präsentiert und einmal ein gefragter Magier war. Dann geht es um einen Diebstahl, um giftige Dämpfe, die zu schulfrei führten und zur schönen Geschichte vom Bader, der dem Pfarrer eine Riesenrechnung für Haare schneiden und rasieren präsentierte, obwohl dieser nie im Laden war. Warum? Wird nicht verraten.
Ganz informativ wird es dann am Friedhof, auf dem der Heimatdichter Carl Weinberger, der Maler Andreas Mitterfellner und der Kammersänger Alois Burgstaller beerdigt sind, vielen Neubürgern nur über die Straßennamen bekannt. Und wir erfahren auch, wer der Friedhofs-Paganini war, bevor es beim „Franzetti“ die nächste Stärkung gab.
Eismeister Herbert Franz. Foto: Monika Ziegler
Herbert Franz präsentierte sein „Brexit-Eis“ passend zum Slogan an der Hauswand „God save the cream“, aber ich erfreue mich am Sanddorneis, fantastisch. Weniger fantastisch ist es, dass das traditionsreiche Geschäft Hummelberger gerade schließt, „schad is, dass wahr is“, meint die Kathl und zieht weiter zur Weinhandlung Priller, wo uns Anita und Hans Priller im Hof einen feinen Frankenwein einer Jungwinzerin kredenzen.
Anita und Hans Priller mit der Kathl. Foto: Monika Ziegler
Was es mit einem Notfallgebiss auf sich hat, erfahren wir am Alten Rathaus um dann hinüber zur „Alten Post“ zu wechseln, die 1647 erstmals erwähnt wird und jetzt in vierter Generation von der Familie Hieber geführt wird. Die Kathl erzählt vom „Hausl“ Sebastian Feigl, dessen Bildnis sogar im Weißen Haus hängt und von der sehr indiskreten Bedienung Resi Hell, die lauthals über die Zeche jedes Gastes Auskunft gab. Auch hier gibt es ein Schmankerl, bevor die Reise am stimmungsvoll illuminierten Vorplatz beim „Kultur im Oberbräu“ endet.
Die Kathl weiß, dass im alten Oberbräugebäude vormals der Pferdestall war und wo jetzt das Foolstheater ist, die Rindviecher ihren Platz hatten. Beim Absacker, serviert von Funda vom Kulturcafé, erklingt das Holzkirchner Heimatlied von Hanns Glas mit dem Schlussvers „Im Himmi kunnt’s net‘ schöna sei!“