Thomas Thieme und Peter Lohmeyer in Gmund
Hideyo Harada, Thomas Thieme und Peter Lohmeyer. Foto: Arens M. Bothor E. Held
Konzert in Gmund
Die beiden Schauspieler nehmen weit getrennt voneinander auf der Bühne Platz, symbolisch für das ambivalente Verhältnis von Franz Liszt und Richard Wagner, das sie heute Abend in ihren Rezitationen zu Leben erwecken, begleitet von ihren Kompositionen.
Es versprach ein besonderer Abend zu werden beim Internationalen Musikfest am Tegernsee in der Tenne von Gut Kaltenbrunn. Kein reines Konzert, sondern ein tiefer Einblick in eine komplizierte Männerfreundschaft. Der musikalische Teil indes, das sei vorweggenommen, war durch die Pianistin Hideyo Harada vortrefflich besetzt. Die Japanerin spielte die für Klavier gesetzten oder transkribierten Werke der beiden Komponisten in ihrer Unterschiedlichkeit nicht nur präzise herausgearbeitet, sondern ebenso voller Hingabe und Emotion.
Bettelbriefe
Der Abend startet mit dem Jahr 1839, als Franz Liszt bereits triumphale Tourneen durch Europa absolviert, Richard Wagner aber hoch verschuldet ist. Dieses Thema durchzieht die Veranstaltung, immer wieder bettelt Wagner Liszt in devoten Briefen an. Sie lernen sich 1840 kennen, aber bei dieser Begegnung kann sich Wagner dem zwei Jahre Älteren und schon sehr Berühmten nicht als Person nähern und unterlässt zunächst weitere Versuche, Liszt zu beeindrucken.
Weit voneinander entfernt: Peter Lohmeyer und Thomas Thieme. Foto: Petra Kurbjuhn
Dieser jedoch ist von Wagners Kompositionen fasziniert und fördert ihn nach Kräften. Als Liszt seine eigene Pianistenkarriere beendet und sich in Weimar niederlässt, gelangen „Tannhäuser“ und „Lohengrin“ durch seinen Einsatz zur Aufführung. Damit setzt er sich auch gegen Kritiker des Werkes von Wagner durch. Robert Schumann etwa schreibt, dass der „Tannhäuser“ matter als „Rienzi“ sei und seine Frau Clara hegt „kein Fünkchen Sympathie“ für ihn.
Gewaltige Musik
Jetzt beginnt die Zeit der Bettelbriefe, Wagner muss aus politischen Gründen in die Schweiz fliehen, von dort sendet er permanent Hilferufe, nach dem Motto: Bist du guter Laune? Dann schicke so viel Geld wie Du kannst.
Thomas Thieme versteht es, ebenso zurückhaltend wie süffisant, diese Briefe Wagners zu lesen. Nein, sympathisch wird der Komponist dem Publikum nicht. Allerdings hebt sich der Eindruck auf, wenn Hideyo Harada die Ouvertüre und „Abendstern“ aus dem „Tannhäuser“ spielt, dieser gewaltigen Musik kann sich wohl kaum einer entziehen.
Peter Lohmeyer. Foto: Petra Kurbjuhn
Peter Lohmeyer hat den sympathischeren Part, indem er vorzugsweise Franz Liszt zitiert, aber auch historische Gegebenheiten vorträgt. Die Mischung von Originalzitaten und Geschichte macht die Rezitation lebendig. In seiner feinen und distanzierten Vortragsart kann das Publikum die Haltung von Liszt nachvollziehen. Da schreibt Wagner fordernd: „Ich lebe durch dich, sorge für dein Geschöpf“ und Liszt antwortet: „Ich kann nicht immer helfen.“
Nicht unbelastete Männerfreundschaft
Auch nach der Pause intoniert Thomas Thieme den bettelnden Wagner. Liszt indes dirigiert in Weimar den „Lohengrin“ und bezeichnet die Oper als erhabenes Werk, während eine Hamburger Zeitung von Fiasko spricht: „keine Musik“.
Mit Hans von Bülow kommt nun eine persönliche Geschichte in die nicht unbelastete Männerfreundschaft, die durch Mathilde Wesendonck noch zusätzlich kompliziert wird. Hans von Bülow heiratet Cosima Liszt, die Tochter, Wagner ist mit Minna verheiratet, hat aber Mathilde als Muse.
Thomas Thieme. Foto: Petra Kurbjuhn
„Ehefrau, Muse und zukünftige Ehefrau“, so lässt sich Wagners Frauengeschichte kurz zusammenfassen. In „Tristan und Isolde“ findet sich Cosima als Isolde wieder, ihr „Liebestod“ ist eins der bekanntesten Wagner-Motive und wird von Hideyo Harada hingebungsvoll dargeboten.
Musik versönt
Inzwischen hat sich Liszt zum Weltgeistlichen weihen lassen, Cosima gebiert Wagner drei Kinder, es kommt zum Skandal. Aber Wagner, mittlerweile amnestiert, gewinnt in König Ludwig II. einen dauerhaften Gönner. Cosimas Verbindung mit Wagner stürzt Liszt in Verzweiflung aber letztlich versöhnte die Musik die beiden wieder, obwohl es hieß, dass Wagner das Motto von Isoldes Liebestod von Liszt entnommen habe. Gleichwohl, auch Liszt habe Anleihen bei Wagner genommen und so kam es zur letzten Begegnung in Venedig. Drei Jahre nach Wagner stirbt Liszt.
Hideyo Harada interpretierte Franz Liszt in vollkommener Sensibilität. Sie spielte die Consolutions Nr. 1 bis 3 in ihrem lyrisch-expressiven Stil passioniert ebenso wie technisch professionell. Die Auswahl dieser Stücke mit dem Titel „Tröstungen“ war zu den Texten ganz besonders passend.
Thomas Thieme, Hideyo Hadaka und Peter Lohmeyer beim Schlussapplaus. Foto: Petra Kurbjuhn
So gelang der besondere Abend zu einer bereichernden Begegnung mit Musik und Historie, mit der Bekanntschaft zweier außergewöhnlichen Musiker, dargeboten von Künstlern, die professionell und sensibel das schwierige ambivalente Verhältnis der beiden Persönlichkeiten dem Publikum nahebrachten, und gekrönt durch den musikalischen Vortrag der Pianistin.
Zum weiterlesen: Begeisterung für Alte Musik und ein tanzendes Europa