Theater in Wall

Wer ist hier eigentlich verrückt?

Eine „Normale“ in der Zwangsjacke: Lisi Kalb, Veronika Seestaller, Christian Selbherr (v.l.). Foto: Petra Kurbjuhn

Theater in Wall

Mit ihrem Stück „Neurosige Zeiten“ ernteten die Waller Brettlhupfer bei der Premiere tosenden Applaus. Ein witziges Stück der jungen Autorin Winnie Abel mit ordentlichen Seitenhieben auf gängiges Gehabe in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, großartig gespielt und inszeniert.

Die Waller Brettlhupfer, die aller zwei Jahre auf der Bühne des Trachtenheimes in Wall stehen, haben mittlerweile Kultstatus, das Publikum strömt aus 13 Landkreisen herbei, die Vorstellungen sind sämtlich ausverkauft. Woran das liegt? An der Begeisterung der Truppe zuerst, an den sehr unterschiedlichen Inszenierungen, denn die Waller lassen sich nicht auf einen Typus Theater festlegen.

Lesetipp: Das Gespenst von Canterville in Wall bei den Brettlhupfern

Theater in Wall
Regisseur Ludwig Stürzer. Foto: Petra Kurbjuhn

Und es liegt zweifellos an den beeindruckenden schauspielerischen Leistungen aller Mitwirkenden. In diesem Jahr hatte erstmals Ludwig Stürzer die Regie und konnte punkten. Rasantes Spiel, überraschende Regieeinfälle und perfekte Besetzung machten das Stück zu einem großen Erfolg.

Konnte man anfangs meinen, die Komödie erschöpfe sich in Witzen über die sexbesessene Agnes, hinreißend attraktiv und lasziv gespielt von Lisi Estner, kam schnell eine Vielzahl anderer Themen auf die Bühne. Die Autorin, selbst Schauspielerin und Journalistin, kennt sich aus. Und nimmt die Dinge auf die Schippe.

Psychiatrie statt Villa

Der Plot an sich birgt Komik: Agnes‘ Mutter will ihre Tochter besuchen und wähnt sie in einer Villa, entstammt sie doch einer reichen Hoteliersfamilie. Nur leider ist Agnes in einer psychiatrischen Wohngruppe gelandet, weil sie in ihrer Firma sexuell übergriffig geworden war.

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Ensemble der Waller Brettelhupfer Foto: Petra Kurbjuhn

Das ist aber auch alles, was ihr angelastet werden kann. Und auch ihre Mitbewohner sind eigentlich nicht schwer psychisch krank, sondern skurill. Wolfgang Lippkau ist Hans, der Putzteufel, in seiner körperlichen Starre, aber ständigen Flimmerei einfach liebenswert. Ebenso liebenswert ist der ängstliche Willi. Sepp Kloiber möchte man immer nur in den Arm nehmen und trösten, so rührend spielt er den stotternden und zitternden Willi.

Verliebt in den Schlagerstar

Marianne hat sich in den Schlagerstar Hardi Hammer verknallt, ist in sein Haus eingebrochen und in seinem Bett eingeschlafen. Als Stalkerin hat man sie eingewiesen, Ulrike Mairinger spielt die unglücklich Verliebte überzeugend echt und naiv. Auch Ursula Lippkau geht ganz in ihrer Rolle als exaltierte und zur Zeit manische Malerin Desirée auf.

Die Gruppe wird betreut von Dr. Dr. Ingo Schanz, dem Psychiater. Wie Christian Selbherr die Rolle des selbst ziemlich psychotischen Arztes spielt, stellt die Frage: Wer ist hier eigentlich verrückt? Denn auch die „gesunden“ Typen sind ziemlich skurill.

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Sylvia Berghammer, Ursula Lippkau, Lisi Estner (v.l.). Foto: Petra Kurbjuhn

Tuppertante Herta beispielsweise. Sylvia Berghammer hat eine etwas undankbare Rolle, da zumeist scheintot, wenn sie aber zum Leben erwacht, dreht sie vollkommen durch und geht mit Tuppermessern auf die Umgebung los.

Du bist gut, so wie du bist

Trudi indes ist sanft. Die Therapeutin, von Lisi Kalb köstlich süsslich interpretiert, beteuert ein um das andere Mal: Du bist gut, so wie du bist. Und lässt Kastanienmännchen basteln. Eine herrliche Persiflage auf so manches Therapeutengetue.

Als Agnes Mutter Cécile auftaucht, wird das Ganze dramatisch. Veronika Seestaller verleiht der auch nicht ganz biederen Hotelbesitzerin Charme und Verve.

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Michael Zehrer, Ulrike Mairinger, Steffi Stocker (v.l.). Foto: Petra Kurbjuhn

Eine Steigerung des Geschehens ist der Auftritt des Stars. Von hinten kommend, marschiert er ein: Hardi Hammer. Michael Zehrer, langhaarig mit Sonnenbrille und Kölner Dialekt liefert das Klischee des Schlagersängers. „Was tut man nicht alles für eine Titelgeschichte?“ fragt er und lässt sich von Karla, der Bildjournalistin begleiten. Steffi Stocker ist nicht nur die wuselige Fotografin, sondern vermittelt ganz klar, dass ihre Zeitung ein Recht auf diese Story „Star besucht Stalkerin in der Psychiatrie“ ein Recht hat, hat das Blatt doch die Klinik gesponsort.

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Steffi Stocker mit dem Ensemble der Waller Brettlhupfer. Foto: Petra Kurbjuhn

Und so nimmt die Geschichte bis zu ihrem überraschenden Ende ihren rasanten Lauf, voller Komik, voller Anspielungen, voller bizarrer Szenen, in denen sich das Ensemble voll beweisen konnte. Tosender Applaus zu Recht!

Applaus auch für das das Programm in Form von „Büld“ Regionalausgabe Wall.

Informationen zu den Waller Brettlhupfern und den Aufführungsterminen, die aber bereits alle ausverkauft sind, finden Sie auf der homepage. Vielleicht aber haben Sie Glück, dass Karten zurückgegeben werden.

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