„Wasserkraft“ und magisches Blau
Die Künstlerin vor den Bildern „Seefest Bad Wiessee“ und „Tanzrunde“ (v.l.). Foto: IW
Ausstellung am Tegernsee
Die „Meisterin des Lichts und der Farbe“ Ekaterina Zacharova schätzt die Struktur, die die Kooperation mit der HypoVereinsbank ihrer ansonsten ungezügelten künstlerischen Freiheit verleiht. Das bringe sie dazu, sich jedes Jahr in ein neues Thema hineinzuvertiefen, bis es nahezu auserzählt ist. Mit „Wasserkraft“ eröffnete die Gmunder Künstlerin nun die mittlerweile 9. Ausstellung in der Rottacher Filiale. Sie widmet sich der Kraft des Tegernsees in zwei lebensbejahenden Bilderzyklen.
Nach zwanzig Jahren, so erzählt Ekaterina Zacharova, sei sie endlich am Tegernsee angekommen. Künstlerisch hat sie fast die ganze Welt erforscht. Davon zeugen etwa ihre Bildzyklen von Paris und Havanna, New York und Hongkong. Vielleicht war es auch eine Art Rastlosigkeit, eine Sehnsucht, die ganze Welt aufzunehmen und zwischen ihre erste Heimat Moskau und ihrer zweiten Heimat Gmund am Tegernsee zu packen.
Komplexität und Farbfülle
Ein sehnsuchtsvoller Unruhegeist ist die Gmunder Künstlerin, mit feinen Antennen ausgestattet und inspiriert von allem, was ihr über den Weg läuft. Das fängt sie dann ein, als Beobachterin und Geschichtenerzählerin mit dem Pinsel, und erzählt es weiter. Das, was zu sehen ist, aber auch das, was sein könnte. Sie komponiert und erschafft aus der jeweils einzigartigen Atmosphäre der Orte Neues. Um zu dieser lebendigen, intensiven Ausdrucksweise zu kommen, war vielleicht die ganze Welt in ihrer Komplexität und Farbenfülle nötig.
Beim „Frühlingserwachen“ noch ein fast winterliches Blau. Foto: IW
Seit letztem Jahr gibt es nunmehr eine Farbe, mit der sie ganz zu sich und ankommt: Blau. Das Blau des Tegernsees. Seine Kraft flirrt, schwingt, fließt und erdet schließlich. Der Tegernsee macht das Ankommen leicht. Nicht leicht ist jedoch, ihn im Ganzen zu erfassen, nicht seine Essenz. Dafür braucht es seine Zeit. Erst 2023 „wagte“ sich die Gmunder Künstlerin erstmals mit der Ausstellung „TegernseeNaturSchauSpiel“ an den See vor ihrer Nase, ihre Wahlheimat. Havanna zu malen, sei viel einfacher gewesen: „Möglicherweise hat mir die Entfernung zum Tegernsee als Ganzes gefehlt.“ Danach blieb sie dabei, den See und seine Menschen zu beobachten und einzufangen.
„Wasserkraft“
„Ich bin im Sternzeichen Fische geboren“, verrät Ekaterina Zacharova bei der Vernissage, „und bewege mich im Wasser auch wie ein Fisch.“ Das Wasser des Tegernsees gibt ihr Kraft. Und so kommt auch der Titel nicht von ungefähr: Mit der Ausstellung „Wasserkraft“ zeigt sie mit schwungvoll und pastös-lebendig auf die Leinwand übertragenen Pinselstrichen Geschichten vom Tegernsee. Hatte sie im letzten Jahr noch bildsprachlich erzählt, wie Menschen auf öffentlichen Flächen und Plätzen agieren, erzählt sie nun von der Kraft des Sees und deren Wirkung auf die Menschen. Es gibt wie immer viel zu entdecken.
Beim Bild „Tanzrunde“ schwingen die Trachtenröcke wie die Wellen des Sees. Foto: Raphael Lichius
Betritt man die Filiale, ziehen zwei Bilder rechter Hand zuerst die Blicke auf sich: „Tanzrunde“ und „Wiesseer Seefest“. Blau wie der See ist auch die Tegernseer Tracht der Mädchen, die ihre Röcke beim „Dirndldrahn“ kreiseln lassen oder die Köpfe zusammenstecken. Die Bilder sind Teil der Serie „Trachten“.
Was macht den Tegernsee aus?
„Trachten gehören zur Geschichte der Region, zur Tradition und zugleich zur Landschaft und stehen sinnbildlich für ein Lebensgefühl“, so die Künstlerin. „Seefeste gibt es nirgendwo sonst, sie sind pure Lebensfreude und ein Wahrzeichen des Tegernsees.“ Während sie blaue Trachten auf blaues Wasser legt, folgt sie konsequenten Kompositionsgedanken. Die sich drehenden Trachtenröcke greifen etwa die Wellen des Sees auf. „Ich suche nach dem Wesentlichen, dem Typischen, bis ich das Motiv gefunden habe und dessen Essenz: Was macht es aus?“ Heimat, Landschaft, Tradition, Lebensgefühl, auch Würde – für all das stehe die Tracht sinnbildlich. Heraus kommen lebendige, pulsierende Momentaufnahmen voller Licht und Leuchtkraft, voller Energie und Dynamik. Die ganze Lust und Freude der fünften Jahreszeit am Tegernsee.
Die kleinformatigen, ganz unterschiedlichen Sommergeschichten vom Baden laden zum Entdecken ein. Foto: IW
Die zweite Serie widmet sich dem „Baden am Tegernsee“. Mit acht für die Künstlerin eher untypischen kleinen Formaten spürt sie der Wechselwirkung zwischen Menschen, Naturelementen und markanten Orten nach. Kleinformate, so die Künstlerin, unterliegen den gleichen Kompositionsprinzipien wie monumentale Bilder. In ihnen erzählt sie nun komplexe Episoden, „etwa wie Anton Tschechows Kurzgeschichten.“ Man kann als Betrachtender, als Beobachterin darin spazieren gehen und eigene Lieblingsplätze ausmachen, die Orte des Sommerglücks am Tegernsee, die typisch und zugleich einzigartig sind. Und den Geschichten nachspüren, die sich dort so oder so abspielen könnten.
Nach „Wasserkraft“ folgt dritter Teil
Die „Wasserkraft“-Ausstellung bezeugt die große Inspirationskraft des Sees. Zugleich wird die tiefe seelische Verbundenheit der Künstlerin mit der Region und dem See als eigentliches Wahrzeichen spürbar. Der Tegernsee als Ort und Heimat ist indes längst noch nicht ausgeschöpft. Nächstes Jahr soll ein dritter Teil folgen.
Die Farben von See und Tracht verschmelzen bei „Warten auf den Auftritt“, mal überwiegt das Blau, mal das Grün, ganz so wie beim See zu unterschiedlichen Tageszeiten (Ausschnitt). Repro: IW
Da sie das „Galerieprinzip“ meide, so die Wahl-Gmunderin, würde es ihr mit ihrer Malerei nie langweilig. Denn sonst müsste sie das Erfolgskonzept bedienen und könnte nicht frei sein in ihrer Malerei. Ein großer Luxus. Zugleich bietet ihr die langjährige Kooperation mit der HypoVereinsbank einen strukturellen Rahmen um ihre künstlerischen Freiheiten: „Ich muss dranbleiben und jedes Jahr ein Thema konsequent verfolgen und alles dazu erzählen, was erzählt werden muss“, erläutert sie. „Das schafft Platz zum Kommunizieren ohne kommerzielle Absichten“ – die Bilder können nicht über die Ausstellung in der Bank erworben werden.
Iris Ihßen und Ekaterina Zacharova eröffnen die Vernissage mit musikalischer Begleitung. Foto: IW
Die Geschäftsführerin der Hypo-Filiale Iris Ihßen lässt sich gern anstecken von der lebensfrohen Kraft der Bilder und insbesondere von den Trachten als Sinnbild der Region. Mit Rups Wagner aus Großweil und Sepp Jochner aus Farchant gewinnt sie zwei Musiker aus ihrer Heimatregion, die bei der Vernissage für die musikalische Seefestatmosphäre sorgen.
Das Malen sei schwere Arbeit, „und ich sehe aus wie ein Bergarbeiter in der Grube bei dieser Arbeit“, lacht Ekaterina Zacharova, während sie die Gäste der Vernissage einlädt, gemeinsam zu feiern, „dass diese Serien entstanden sind“. Auserzählt ist das Thema weiterhin nicht, „wie bei einer Liebesbeziehung, wenn aus Verliebtheit Liebe wird“, wird sie noch weiter in die Tiefe gehen. Dem See weiter zuhören und weitermalen.
Weiterlesen: Ekaterina Zacharova 2023 „TegernseeNaturSchauSpiel“