Gesund durch die Berge
Internationales Bergfilmfestival in Tegernsee
Wenn heute Abend das Internationale Bergfilmfestival in Tegernsee beginnt, erwarten spannende Filme voller Abenteuer und Action die Besucher. Aber es gibt auch stille Filme. Einen hat Sylvia Rothe gedreht, er heißt „Wege entstehen beim gehen“.
Sylvia Rothe ist in diesem Jahr bereits das fünfte Mal in Tegernsee dabei. Die am Chiemsee lebende Filmemacherin ist bekannt für ihre Filme mit sozialem Hintergrund. Die Protagonistin ihres diesjährigen Filmes gab dafür den Anstoß. Sie ermunterte zum ersten Film Rothes über eine Freizeit mit muskelkranken Jugendlichen.
Seitdem ist Anke Hinrichs ihre Freundin. Die Sozialpädagogin aus Cloppenburg erlitt bei der Geburt einen Sauerstoffmangel und ist dadurch körperlich eingeschränkt. Dennoch setzt sie sich intensiv für Projekte in den Bergen für behinderte und nichtbehinderte Kinder ein. Seit ihrer Kindheit ist sie fasziniert von den Bergen, insbesondere hat es ihr der Hochvogel im Allgäu angetan, wo sie als Kind mit den Eltern oft im Urlaub war und den sie sehnsüchtig von unten bestaunte.
Behinderung ist zweitrangig
Der Film zeigt das Leben von Anke und die Besteigung des über 2600 Meter hohen Hochvogels mit Hilfe eines Bergführers. „Dabei ist es zweitrangig, dass Anke eine Behinderung hat“, sagt Sylvia Rothe. „Ich will vielmehr zeigen, was sie kann und welchen Herausforderungen sie sich stellt.“ Sie wolle mit dem Film vermitteln, dass Äußeres viel weniger wichtig ist, sondern dass man lieber nach dem Inneren eines Menschen Ausschau halten solle.
Der 28minütige Film ist aus der Ich-Perspektive heraus gedreht. Sylvia Rothe erzählt anhand von Fotos und Interviews das Leben ihrer Protagonistin und was sie selbst mit ihr erlebt hat. „Sie ist ein toller Mensch“, sagt die Filmemacherin. Und sie habe unter der Ausgrenzung als Kind gelitten.
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Spaß am Leben
Eine sehr berührende Szene im Film ist die, wo Anke von geschlossenen Türen erzählt, zu denen sie keinen Zutritt hatte – Mauern trennten sie von anderen Menschen. Erst im Alpenverein fühlte sie sich zum ersten Mal integriert und ernst genommen. Und da war die Sehnsucht, diesen Berg zu besteigen, die mit Hilfe eines Sponsors verwirklicht werden konnte. In letzter Minute wäre das Projekt beinahe gescheitert, da sie eine Grippe bekam.
Aber sie geht. Bis zur Erschöpfung. Und sagt: „Ich finde es schön, dass nicht die Krankheit im Vordergrund steht, sondern der Spaß am Leben.“ Sie werde gesund durch die Berge, das schaffe keine Rehamaßnahme. Dass sie sich selbst etwas zutraue, obwohl sie Probleme hat, ihr Gleichgewicht zu halten, das erfülle sie mit Selbstbewusstsein.
Der Film ist kein Heile-Welt-Streifen, er zeigt ehrlich, welche Schwierigkeiten bei der Besteigung des Hochvogels auftraten und Anke stellt sich am Ende sogar die Frage, ob es richtig war. Und so endet der stille Film mit Sylvia Rothes Satz: „Schonungslos ehrlich – meine Freundin Anke.“
Anke Hinrichs wird in Tegernsee dabei sein. Sylvia Rothe hofft auf rege Diskussionen am Freitag, 23. 10. um 17 Uhr im Ludwig-Thoma-Saal. Anschließend wird der Film, der am 14.3. auf Kabel 1 erstmalig gesendet wurde, beim Filmfestival in Graz gezeigt.