Ein Fest des Frau-Seins
Karin Sommer, Annie Reisberger, Elisabeth Obermüller, Regina Reifenstuhl im Kellerbrettl – hinreißend beim Abend zum Frau-Sein (v.l.). Foto: IW
Bühnenabend in Miesbach
Beim Format „KellerBrettl“ können sich regionale Künstler in kleinem Rahmen präsentieren. Zum Saisonstart stand das „Frau-Sein“ in allen Facetten auf dem Programm mit einem beglückenden Abend von Karin Sommer und Annie Reisberger.
Das Gewölbe des Waitzinger Kellers war bis auf den letzten Platz besetzt und noch immer wurden Stühle hereingetragen, um alle unterzubringen. Zumeist waren es Frauen. Doch immerhin hatten sich auch ein paar Männer zu diesem (an)mutigen, fraulichen Abend voller Geschichten und Lieder getraut. Beide gingen tief bis unter die Haut.
Geschichten, die ans Eingemachte gehen, liest Karin Sommer mit bezaubernder Leichtigkeit. Foto: IW
Karin Sommer, die als Autorin für KulturVision schreibt, aber darüber hinaus auch noch viele berührende Kurzgeschichten, ist bekannt dafür, dass sie mit ihren Texten dorthin geht, wo es ungemütlich ist, unbequem und manchmal auch wehtut. Sie geht ans Eingemachte, an die Substanz, an ihre, und zuweilen auch an die der Zuhörer. Genau dort, wo es weh tut, ist die Ehrlichkeit sich selbst gegenüber am Höchsten und der Mut sich zu öffnen und verletzlich zu zeigen am Größten.
Frau-Sein und Weiblichkeit feiern
Sanft und ruhig erläuterte die Wahl-Wiesseerin ihre Philosophie des Schreibens und kündigte daraufhin lächelnd Annie Reisberger an, teil des Duetts Die wuidn Hena: „Und wenn es Euch in den Geschichten zu tief geht, dann kommt Annie“. Strahlte Karin Sommer diese wohltuende ruhige Gelassenheit aus, machte die quirlige Annie Reisberger keinen Hehl aus ihrem Lampenfieber und eroberte damit auf sympathische Weise die Herzen des Publikums. Schnell war klar: Hier haben sich zwei Frauen gefunden, die sich in ihrer Einzigartigkeit und Unterschiedlichkeit ergänzen.
Karin Sommer und Annie Reisberger ergänzen einander perfekt. Foto: IW
An diesem vielschichtigen Abend des Frau-Seins fehlte es weder an Witz, noch an Traurigkeit, Frauenpower und Sanftheit, an Tiefe, Ernsthaftigkeit oder Erotik. Es war ein Fest auf das ungeschminkt Weibliche mit allen Fehlern und Schwächen, das alle gemeinsam feierten.
Frauen müssen nicht die besseren Männer sein
Ein Thema, dass Karin Sommer immer wieder beschäftigt, ist die Solidarität unter Frauen: „Wir Frauen brauchen andere Frauen, die uns zuhören und uns liebevoll ihre Meinung sagen“, meint sie. “Wir brauchen Schwestern – keine Frauen, die über uns lästern“. So war beispielsweise das einzige Gedicht unter den vier berührenden Geschichten des Abends der Gegenentwurf zu Herbert Grönemeyers „Männer“. Entstanden anlässlich einer Talkshowrunde zum Thema von 100 Jahre Frauenwahlrecht, zu der die Autorin geladen war: „Frauen müssen die besseren Männer sein? Frauen, lassen wir das mal sein“, war dessen Quintessenz.
Annie Reisberger – echt, nachdenklich und witzig. Foto: IW
Das Weibliche hervorheben, die fraulichen Stärken stärken, darum ging es den beiden Frauen auf der Bühne. Das bedeutete auch, sich echt und ehrlich zu zeigen. „Ich bin keine Gitarrengöttin“, kündigte Annie Reisberger augenzwinkernd an, „und ich werd‘s auch nimmer werden, aber für heut Abend wird’s reichen.“
Unter die Haut und ans Eingemachte
Ergreifend war auch, wie sich beide Frauen in den Tönen trafen und miteinander betörend schöne, liebenswert unperfekte Refrains sangen. Das es rundum so menschelte, in den Geschichten und in den Liedern, machte einen großen Teil des Zaubers aus, in dem sich die Frauen im Publikum wiedererkannten. Und wenn es zu sehr ans „Eingemachte“ ging, wie Karin Sommers Geschichte „Was man nicht hat, braucht man nicht“, war Annie mit ihren Liedern da, die zart und andächtig von der Liebe sang. Denn nur Frau allein, das kann nicht das Leben sein, trotz Freundinnen und Schwestern. Erst in der Liebe entfaltet sich das schönste Ich – von Frauen wie von Männern.
Karin Sommer, Annie Reisberger, Elisabeth Obermüller, Regina Reifenstuhl – Spaß am Frau-Sein. Foto: IW
Am Ende unterstützten noch Elisabeth Obermüller und Regina Reifenstuhl mit Kontrabass und Gesang den Frauenpower. Spätestens mit der Geschichte „Franziska und die gerade Linie“ wurde der kleine, feine Bühnenabend zu einem sinnlichen Fest, bei dem die Konventionen, die geraden Linien, die Erwartungen der Gesellschaft auch einmal über Bord geworfen werden dürfen. „Bei mir bist Du schön“ und „Cecila“ waren die beiden Hymnen, die alle vier Frauen gemeinsam mitreißend sangen.
Weiblichkeit feiern in Miesbach
Die Besucherinnen aus dem Publikum dürften beglückt nach Hause gegangen sein und die Handvoll Männer wieder einmal um die Einsicht schlauer gewesen, dass sie die Frauen vermutlich nie verstehen werden. Veronika Leo, die Organisatorin der „KellerBrettl“-Bühne im Waitzinger Keller, war ebenfalls glücklich über den Abend und das zahlreich erschienene Publikum. Sie wünscht sich, dass mehr Künstler und Künstlerinnen aus dem Landkreis das Format für sich entdecken. Unter dem Motto: bühnenreif, einzigartig, motiviert, locker und lustig sind die Bretter der kleinen Bühne vielleicht das Sprungbrett zur großen Karriere, wer weiß?