Heiliger Zorn
„Heilige Nacht“ in Gotzing. Foto: N.N.
Weihnachtslegende in Gotzing
So hat man die „Heilige Nacht“ von Ludwig Thoma noch nicht gehört. Unkonventionell, frech, witzig, herzerfrischend und gerade deshalb stark berührend. Bettina Mittendorfer und Florian Burgmayr begeisterten gestern in der Gotzinger Trommel.
In der Adventszeit wird dieser wunderschöne Text von Thoma landauf landab zumeist in Lesungen dargeboten. „Besinnlich“ steht dann als Prädikat der Veranstaltung. Besinnlich gestaltete die Münchner Schauspielerin ihre Version der Geschichte ganz und gar nicht. Die Gäste im voll besetzten Salettl ahnten schon, dass es irgendwie anders wird, als Bettina Mittendorfer als Coupletsänger und Geschichtenerzähler Luggi in der „Kurzen“ hereinkommt, sich vorstellt, aber schnell wieder verschwindet, um sich ein Weißbier zu holen.
Es bleibt nicht das einzige, denn alle Figuren, die sie jetzt spielt, ob Josef oder Maria, ob Simmei oder gar der Engel im Himmel, alle haben einen guten Zug und so ordert sie bei ihrem kongenialen musikalischen Partner Flori Burgmayr aller Nasen lang: „Hol mir noch eine“, woraufhin dieser sein Akkordeon ablegt und brav bedient.
Fantastische Textleistung
Bettina Mittendorfer liest mitnichten, sie spielt alle sechs Hauptstücke, schlüpft mit wenig Verkleidung, aber viel Gestik und passender Sprache in ihre Figuren: den verzagten Josef, die tapfere, frohgemute Maria, den hilfsbereiten Handwerksburschen, die unfreundlichen Hausknechte der Wirtshäuser und besonders grob die lieben reichen Verwandten, die Maria und Josef aus Angst, dass sie womöglich etwas abgeben müssen, abweisen.
Den Engel mimt sie mit Stern auf dem Kopf auf dem Tisch knieend und auf die Erde hinunter schauend und selbst den Fuchs auf dem Feld stellt sie dar. Neben der gestischen ist es eine fantastische Textleistung, aber noch viel mehr fasziniert ihre ergreifende, niemals betulich oder sentimental wirkende Interpretation des Textes.
Echt und authentisch
Und so kann die Schauspielerin, die durch ihre Rollen in den Filmen „Sommer in Orange“ oder „Eine ganz heiße Nummer“ bekannt wurde, die Botschaft der „Heiligen Nacht“ in die Zuhörer hineintragen ohne im mindesten salbungsvoll daher zu kommen.
Im Gegenteil. Sie torkelt, sie hat Schluckauf, sie schimpft mit ihrem Partner, weil er wohl nicht aufgepasst habe, sie steht auf dem Tisch und man hat größte Sorge, ob das wohl gut geht, so gekonnt mimt sie den Betrunkenen und selbst der Hänger bei „Ein armer Mensch“ ist zweifelsohne Teil ihrer Darbietung. Und so nimmt man ihr den heiligen Zorn auf die Reichen dieser Welt gern ab. Das ist echt und authentisch.
Florian Burgmayr bereichert Bettina Mittendorfers Darbietung mit seiner Musik. Foto: N.N.
Auch die eingestreuten Lieder passen wunderbar ins Konzept, Bettina Mittendorfer singt schlicht und gleichermaßen kraftvoll, stimmig von Florian Burgmayr am Akkordeon begleitet. Und wenn sie am Ende sagt: „Fragt euch, ob es nichts bedeutet, dass das Christkind nur die Armen gesehen haben“, dann bleibt kein Zuhörer unberührt. Kein Wunder, dass Bettina Mittendorfer mit der „Heiligen Nacht“ den Publikumspreis des Theaterforums Gauting erhielt. Das Publikum in der Gotzinger Trommel entließ gestern die beiden Künstler mit lang anhaltendem Applaus.