Was bedeutet Gedenken?
Die Weinbergkapelle. Foto: Petra Kurbjuhn
Konzept für die Gedenkstätte an der Weinbergkapelle in Schliersee
Die Tafel an der Weinbergkapelle in Schliersee hat in der Vergangenheit zu kontroversen Auseinandersetzungen Anlass gegeben. Nach einem 14 Monate langen Entscheidungsprozess stellten jetzt die Prozessinitiatoren und -begleiter ein Konzept vor, wie man künftig mit dem Ort und dem Gedenken umgehen wird.
Einer der schönsten Orte in Schliersee sei es, so sagt zum Pressetermin Pfarrer Hans Sinseder, der Hügel mit der Weinbergkapelle. Aber dieser schöne Ort birgt eine Geschichte, die fast 100 Jahre zurückgeht.
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„Wie wollen wir verfahren, dass Menschen, die heute hierherkommen, wissen, wie die Zusammenhänge sind?“ Dieser Frage des Pfarrers widmete sich ein Projekt, das unter Federführung des Kreisbildungswerkes Miesbach mit einer Entscheidung der Jury am 10. April abgeschlossen wurde. Wichtig sei dabei sowohl die fachliche Kompetenz als auch die Teilhabe der Öffentlichkeit gewesen, machte Wolfgang Foit, Geschäftsführer des KBW, deutlich.
Beim Pressetermin: Pfarrer Hans Sinseder, Diakon Alois Winderl, Bürgermeister Franz Schnitzenbaumer, Dr. Wolfgang Foit und Sebastian Franz, der seine Bachelorarbeit über das Projekt schrieb (v.l.). Foto: MZ
Nach sehr gut angenommenen Fachvorvorträgen und einer Exkursion zum Annaberg und nach Auschwitz gab es eine Ausschreibung, bei der Bürger ihre Ideen zum Umgang mit der umstrittenen Tafel einbringen konnten. Von 18 Einsendungen, einige davon anonym, wurden acht ausgewählt und zum Workshop mit Professor Hermann Rumschöttel eingeladen. Dem Historiker sei es gelungen, dass die Teilnehmer die Position der anderen verstanden und in ihr eigenes Konzept einbauten, sagte Foit.
Es geht nicht um Schwarz oder Weiß
Wichtig sei bei dem Prozess, dass es nicht um Schwarz oder Weiß gehe, auch nicht darum, Ruhe hineinzubringen oder es allen recht machen zu wollen. Anliegen sei es immer gewesen, herauszufinden, welches Gedenken heute relevant ist und wie dieses äußerlich sichtbar gemacht werden könne.
Die umstrittene Tafel an der Weinbergkapelle. Foto: Petra Kurbjuhn
Das Ergebnis des Prozesses beschloss die Jury, bestehend aus sechs Gemeinderäten, sechs Mitgliedern der Pfarrgemeinde und je zwei Mitgliedern aus den Bereichen Kultur, Bildung und Gedenkarbeit, in vier Punkten einstimmig.
Das jährliche Gedenken am 21. Mai wird von Pfarrei und Gemeinde gemeinsam in Form eines Friedensgedenkens und einer Maiandacht begangen, das erste Mal bereits in diesem Jahr. Dies sei eine Gelegenheit, mit dem Polnischen Generalkonsulat Kontakt aufzunehmen und das Gedenken gemeinsam zu gestalten, wobei von polnischer Seite bereits Gesprächsbereitschaft signalisiert wurde.
Station eines Marktspaziergangs
Im Rahmen eines pädagogischen Konzepts für Schulen, Pfadfinder und Touristen soll der Weinberg eine Station eines Marktspaziergangs werden. Dazu wird es eine Informationsbroschüre in gedruckter Form, aber auch auf der Basis digitaler Medien geben.
Das bereits vorhandene umfangreiche Material zur Historie um das Freikorps Oberland, das an der Schlacht am Annaberg 1921 in Oberschlesien beteiligt war und dessen 52 Gefallener an der Tafel an der Weinbergkapelle gedacht wird, obwohl gar kein Schlierseer beteiligt war, wird in Form einer wissenschaftlichen Dokumentation aufgearbeitet.
Blick vom Weinberg auf Schliersee. Foto: Petra Kurbjuhn
Der Ort selbst an der Kapelle bekommt ein neues Gesicht. In Sichtweite der Kapelle soll eine Informationstafel aufgestellt werden, deren textliche Gestaltung das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin obliegt. Hier wird nicht nur die Historie, sondern auch die öffentliche Debatte um Protest und Gegenprotest, sowie die aktuelle Botschaft dargestellt.
Friedensbotschaft des Heiligen Franziskus
Letztere wird durch eine transparente Tafel, die über der Gedenktafel installiert wird, deutlich gemacht. Sie soll den Blick auf die Tafel ermöglichen, aber gleichzeitig stören. Dabei wird der heutige Blick auf das Gedenken durch eine Friedensbotschaft sichtbar. Das Friedensgebet das Heiligen Franziskus macht dies deutlich: „Herr mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens, dass ich liebe, wo man hasst, dass ich verzeihe, wo man beleidigt, dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist.“
Das Gesamtprojekt, so Bürgermeister Franz Schnitzenbaumer, werde Kosten im fünfstelligen Bereich bringen. Er sei dem KBW sehr dankbar, dass dieses Projekt so hochprofessionell bearbeitet worden sei. Diakon Alois Winderl fügte an: „Früher waren wir Getriebene, jetzt werden wir aktiv.“ Trotz kontroverser Debatten sei man im Guten auseinandergegangen.
Statt Kontroversen Taufen und Hochzeiten
Wolfgang Foit betonte, dass Erinnerungskultur immer mit politischen Aussagen in Zusammenhang gebracht würden. Hier aber wolle man das Gedenken nicht politisch äußern, sondern an den Frieden denken. Zumal, wie Winderl erklärte, zunehmend Taufen und Hochzeiten an diesem schönen Platz stattfinden.