Wer will den Krieg und doch ist er da
Andreas Nirschl und Maria Babl. Foto: Petra Kurbjuhn
Theater in Irschenberg
Es fehlt an der Liebe. Das ist die Kernaussage des packenden, brisanten Stückes „… der werfe den ersten Stein“, das das Irschenberger Theater unter der Regie von Sepp Grundbacher grandios auf die Bühne bringt. Und das beklemmend aktuell ist.
Die Bühne im Saal des Wirt von Loiderding ist mitten im Publikum, da ist nur nur der Esstisch, das Kruzifix und das Foto des in Russland gefallenen Sohnes Sepp. Und hier spielt das „Drama aus unseren Tagen“ von Rudolf Pikola. Die Daten des ehemaligen Miesbacher Bürgermeisters werden anfangs eingeblendet, danach folgen Fotos der Zeit, beginnend mit „Mit Adolf Hitler für Gerechtigkeit und Frieden“ über „Juden müssen Rottach-Egern verlassen“ bis hin zum Kriegsversehrten.
Im Jahr 1944 auf einem bayerischen Bauernhof spielt die ergreifende aufrüttelnde Geschichte. Der Leitnerbauer, den Sepp Kröll in aller Zerrissenheit spielt und seine Frau, in ihrer Strenge und Verzweiflung von Gerti Reichenberger dargestellt, bewirtschaften den Hof mit Knecht Wastl (authentisch in seiner Schlichtheit Hans Schrädler) und Magd Leni, deren Lust am Leben Katharina Grundbacher vermittelt.
Der Pferdeflüsterer
Der Arbeitsdienstmann Jupp verbreitet Naziparolen. Marcel Schmid spielt ihn mit seinem überheblichen, Angst einflößenden Kriegsjargon eindrucksvoll. Auch Frau Ravel, die Flüchtlingsfrau aus dem Baltikum, die alles verloren hat, verbreitet eine selbstgerechte, bigotte Stimmung. Anna Schmidt spielt sie mit ihrem Dialekt glaubwürdig unsympathisch.
In diese Situation wird dem Hof der Kriegsgefangene Nikolai aus Russland zugeteilt. Andreas Nirschl spielt ihn schlicht brillant. Voller Angst, voller Unterwürfigkeit am Anfang, dann aber auflebend zunächst als Pferdeflüsterer und dann in seiner Liebe zu Burgl ist er der Held der Geschichte. Maria Babl gibt der Burgl eine ergreifende Tiefe und Standfestigkeit.
Das Leben ist ein Puppenspiel
Sepp Grundbachers Inszenierung passt sich der starken Aussage des Stückes an, sie ist schlicht und arbeitet die Grundideen heraus. So liest er am Anfang jeden Aktes als Rückblende die Reflexion des Leitnerbauern. „Die Welt wird von Narren und Lumpen regiert“ heißt es da, oder „Im Umgang mit Menschen hätte man linder sein müssen.“ Aber es komme eben zuerst Ehre, Name, Ruf, Besitz und erst am Ende die Liebe.
Unterstützt werden diese Zwischenspiele musikalisch. Maralena Grundbacher singt, von Sepp Grundbacher am Baß und der Quetsche begleitet, textlich und atmosphärisch stimmige Lieder, so „Das Leben ist ein Puppenspiel“ mit der Aussage „Nimm deine Fäden in die Hand.“
Der Pazifist Rudolf Pikola hat unter dem Einfluss des 2. Weltkrieges ein Stück geschrieben, dass die persönliche Tragödie aufgrund der politischen Ereignisse zeigt. Und da kommt dieser Satz: „Wer will den Krieg und doch ist er da.“ Ein Satz, der tief unter die Haut geht in diesen Tagen, ein Satz, den ein jeder aus dem Stück mit nach Hause nimmt.
Ein großes Kompliment an Sepp Grundbacher, seine acht großartigen Schauspieler, die begabte Sängerin und alle Helfer, die an dieser mutigen und nachhaltigen Aufführung beteiligt sind.