Wie trauern wir?
Filmstill „Wer wir gewesen sein werden“
Film in Holzkirchen
Es ist ein zutiefst bewegender und grundehrlicher Film, Erec Brehmers „Wer wir gewesen sein werden“. Im Rahmen von „anders wachsen“ zeigte der Regisseur seinen Streifen über den Unfalltod seiner Partnerin und es schloss sich eine intensive Diskussion mit dem Publikum an.
„Der Film ist der großartigsten Person gewidmet“, sagte Erec Brehmer zur Einführung im FoolsKINO. „Für Angie“ war zu lesen. Der Filmemacher erzählt in starken Bildern und in Kapiteln unterteilt, wie er die Bierbrauerin Angelina Zeidler kennenlernt und wie sie miteinander die Liebe entdecken.
Filmstill „Wer wir gewesen sein werden“
Das Leben davor
Da gibt es auch lustige Szenen, etwa mit der Katze oder wenn sie ihn im Bett tritt, damit er sich umdreht. Er hat die Partnerin in allen Lebenslagen fotografiert und gefilmt, ob in der gemeinsamen Wohnung oder am Strand, wie sie ihre Ausbildung in der Brauerei Andechs absolviert und wie sie dann am 14. März 2019 miteinander Skifahren.
Das Leben danach
Auf der Rückfahrt bei Bad Tölz auf der Bundesstraße passiert der Unfall. Er wacht auf der Intensivstation auf und muss erfahren, dass sie, die Fahrerin, den Unfall nicht überlebt hat. Die widersprüchlichsten Gefühle überschwemmen den Verletzten. Kurze absurde Momente der Hoffnung, dass alles anders ist, Momente der Scham, dass er sie hat fahren lassen und überlebte und Momente der Dankbarkeit: „Du hast die Welt besser gemacht.“
Momente des „Was wäre wenn gewesen“ wechseln sich ab mit Erinnerungen der Lebensfreude, mit der Angie ihn angesteckt hat. Und dann die Frage „wie geht Trauern?“
Filmstill „Wer wir gewesen sein werden“
Loslassen oder nie loslassen? Wo ist ihre Energie? Was passiert mit den Bindungen? Wie trauert man richtig? All diese Fragen stellt der Film, stellt sich der Trauernde.
Ist es richtig, schon nach drei Monaten bei Tinder nach einer neuen Partnerin zu suchen? Ist es richtig in Momenten der Verzweiflung nach Drogen zu greifen?
Schonungslos ehrlich
In schonungsloser Ehrlichkeit berichtet Erec Brehmer, wie er den schwierigen Weg nach vorn meistert, scheitert und wieder aufsteht. Denn die erste Partnerin, mit der er wieder nach vorn schauen kann, trennt sich von ihm, was ihn voll zurückwirft und er sogar Suizidgedanken hat.
Letztlich entscheidet er sich für eine Trauerpause und versucht im Hier und Jetzt zu leben. Durch den Film flattert ein Schmetterling als Verkünder der Hoffnung und Freiheit.
Filmstill „Wer wir gewesen sein werden“
Der Film ist eine Liebesgeschichte, eine Geschichte der tiefsten Empfindungen, zu denen ein Mensch fähig ist und ein Film der tiefsten Verzweiflung, der zu Tränen rührt, ohne auch nur einen Hauch von Kitsch zu haben.
Er ist eine Einladung an die Menschen, sich mit Tod und Trauer, vor allem aber über den Umgang mit der eigenen Trauer und der anderer Menschen Gedanken zu machen.
Erec Brehmer erzählte in der Diskussion, dass es ihm ein Anliegen gewesen sei, seine Trauer zu dokumentieren und alles, was von Angie da war, zu sichern, dass kein Foto, kein Video verlorengeht. Er habe einen Film machen wollen, so wie er ihn gebraucht hätte, als er einsam auf der Intensivstation lag.
Filmstill „Wer wir gewesen sein werden“
„Der Film zeigt 1 zu 1, wie es ist, wenn man trauert“, sagte eine Besucherin, die Trauer bleibe und sei die Verbindung zu dem Verstorbenen. Die Liebe könne niemand nehmen, sie bestehe auch über den Tod hinaus.
Es sei eine Frechheit, so Erec Brehmer, in einer Welt ohne sie leben zu müssen und es sei schwer, den Schmerz aushalten zu müssen. „Trauer wird als Problem gesehen, es ist aber die Lösung mit einer Situation fertig zu werden.“
Erec Brehmer und Tom Modlinger. Foto: MZ
Als zeitlosen Film, der Trauernden Hilfe spendet, bezeichnete Kinobetreiber Tom Modlinger den Film, den es auch als DVD gebe, denn, so informierte Erec Brehmer, Holzkirchen sei der letzte Ort auf der Tournee, zu der er seinen Film begleite.
Der Film gebe ein wunderbares Vorbild und Beispiel, dem Tod das Leben gegenüberzustellen, resümierte ein Besucher und sagte „in der Trauer ist alles erlaubt“.
Wie mit Trauernden umgehen?
Wie mit Trauernden umzugehen sei, das werde nirgends gelehrt, hieß es. So mancher habe Angst, Wunden aufzureißen, andere sind völlig hilflos und wechseln lieber die Straßenseite als sich dem Tabuthema zu stellen. Aber die meisten Trauernden wollen über den Verstorbenen reden, um die Verbindung aufrechtzuerhalten.
So kann der Film nicht nur Trauernden sondern allen Menschen Inspiration und Hilfe geben, er kann sie berühren und ihrem Handeln Sinnhaftigkeit verleihen.
Zum weiterlesen: Den Tod ins Leben bringen