Das Ungeheure begreift nie der Sichre
Schießbude, 1958, Öl auf Leinwand. Foto: Isabella Krobisch
Ausstellungstipp von KulturVision in Penzberg
Seine Motive fand er in Gasthäusern, Kirchen und auf Märkten in seiner nächsten Umgebung: Werner Berg (1904-1981), der in Elberfeld aufgewachsene und mit 26 Jahren nach Kärnten ausgewanderte Maler.
Das Campendonk Museum in Penzberg zeigt bis 23. Juni 2019 eine Auswahl von 110 Exponaten – Ölgemälde, Holzschnitte, Zeichnungen – aus dem Werner Berg Museum Bleiburg/Pliberk. Seine Werke sind, chronologisch und thematisch gegliedert, über drei Stockwerke verteilt. Parallelen zu Heinrich Campendonk und zum Blauen Land sind unschwer zu erkennen und bilden einen innigen Zusammenklang.
Der Rutarhof im Herbst, 1934, Öl auf Leinwand und Auf dem Wagen, 1935, Öl auf Leinwand. Foto: Isabella Krobisch
Werner Bergs Entschluss, sich mit seiner Frau Amalie auf dem entlegenen Rutarhof im Süden Kärntens niederzulassen, brachte ihm den Alltag des Bauerndaseins nahe. „Ich wollte ein Leben gründen, das unabhängig von den Spielregeln der bürgerlichen Gesellschaft in sich Sinn habe und mit Anschauung gesättigt sei. Mein Hauptthema ist der bäuerliche Mensch in der Landschaft, die menschliche Figur als Realität und vor allem in der künstlerischen Verwandlung als Form und Sinnbild.“
Faszination für Mensch und Landschaft Unterkärntens
Die reiche Auswahl an Motiven zeigt in außergewöhnlicher Nahsicht Szenen von Festen und kirchlichen Feiern, vom harten Bauernalltag und der Landschaft. „Einerseits erscheinen Werner Bergs Bilder von einer Klarheit, die jedes Wort erübrigt. Andererseits wieder sind sie voll Geheimnis, hinter das das Wort nicht zu dringen vermag“, so Gottfried Stöckl, ein Freund des Künstlers.
Zeitlebens hegte er eine große Faszination für seine Unterkärntner Umgebung und gab die Landschaften in kartografischer Manier wieder. Ein starkes Oeuvre hat sich Bahn gebrochen, das gegen viele äußere Widerstände wuchs: Zeitintensive Bewirtschaftung eines großen Hofes, Ernährung einer siebenköpfigen Familie, Kriegszeit, Verlust von zwei Geschwistern, um nur einige Umstände zu nennen.
Eigenes Erleben
„Werner Berg lebte das gleiche Leben wie die von ihm Dargestellten und konnte deren Abbild aus eigenem Erleben nun von innen heraus gestalten“, so sein Biograph, Nachlassverwalter und Enkel Harald Scheicher.
Die Aura der Dinge
Viele Künstlerfreunde besuchten Werner Berg auf dem Rutarhof und zeigten sich tief bewegt von seinem Schaffensdrang. „Sie können noch die Seelen der Dinge erleben. Was man im Lichte Ihrer Bilder sofort erkennt und was so tief ergreift, das ist der Atem, die Aura der Dinge“, so der Dichter Michael Guttenbrunner.
Der Kunstschriftsteller Heimo Kuchling schrieb über das Leben am Rutarhof, „das Schicksal ist greifbar nahe und immer gegenwärtig, der Strom des unterirdischen Lebens ist immer hörbar“.
Gasthaus, 1951, Öl auf Leinwand. Foto: Isabella Krobisch
In der Werkschau fallen besonders die vielen in Kopftücher gehüllten Frauengesichter auf. Kopftücher gehörten damals zum Erscheinungsbild der Unterkärntner Frauen und wurden sowohl im Haus als auch zur Arbeit am Feld und zum Kirchenbesuch getragen. Insbesondere in seinen Holzschnitten gelang Werner Berg eine Verdichtung zum Typus, den der Betrachter ergriffen wahrnimmt.
Christine Lavant, 1951, Öl auf Leinwand. Foto: Isabella Krobisch
Aus einer intensiven Liebesbeziehung zu der Dichterin Christine Lavant entstanden sieben Ölbilder, fünf Holzschnitte und drei großformatige Zeichnungen. „Der seltene Fall des kongenialen Porträts ist hier erreicht, das mit der Leiblichkeit auch die Geistigkeit des Dargestellten für immer bewahrt“, so Wieland Schmied.
In den Jahren dieses Zusammenseins mit der Dichterin, das seine Ehe schwer belastete, entstanden viele seiner Hauptwerke. In Christine Lavants archaischer Sprachgewalt erkannte er sein bildnerisches Streben wieder.
Landarbeiter, die zu Pendlern werden
Wartende, 1969, Öl auf Leinwand (Detail). Foto: Isabella Krobisch
Eine eigene Werkreihe ist den Wartenden gewidmet. Es handelt sich um vormals als Landarbeiter Beschäftigte, die nun mit Bus und Bahn zu entfernten Fabriken pendeln. Werner Berg stellte sie an Haltestellen, schlafend im Zug oder hinter den Scheiben von abfahrenden Bussen herausschauend dar.
„Das Ungeheure begreift nie der Sichre“ darf als die Prämisse des Künstlers Werner Berg gelten.
Zuneigung zu Märkten
Eine besondere Zuneigung hegte der Künstler zu den Märkten und Volksfesten in der 20 Kilometer vom Rutarhof entfernten kleinen Grenzstadt Bleiburg, wo er unzählige Motive unter den Schaustellern und Marktbesuchern fand.
Die Stadt Bleiburg war es dann auch, die dem 1969 zum Ehrenbürger ernannten Künstler ein monografisches Museum einrichtete, das nicht nur das vielschichtige Werk Werner Bergs präsentiert, sondern auch zur Dokumentation von Eigenheiten und Wesensmerkmalen der Kärntner Slowenen wurde.
Glücksfall für Oberbayern
Dass eine so profunde Auswahl dieses reich bestückten Museums in Oberbayern zu sehen ist, darf als großer Glücksfall bezeichnet werden und lohnt auch weite Anfahrtswege.