Warum Bilder keine Titel brauchen
Der Maler Werner Gruß begrüßt seine Gäste im Grünen Raum. Foto: Karin Sommer
Vernissage in Bad Wiessee
Der Grüne Raum öffnet seine Türen einer weiteren Ausstellung im Rahmen des Themas „Sehnsucht.“ Hingen eben noch die ästhetischen Bilder von Katrin Hering an Holztafeln und grünen Wänden, sind die nächsten drei Wochen Werke von Werner Gruß in der charmanten Galerie zu sehen.
Lesetipp: Sehnsucht auf gestanztem Papier
Sich mit Muße der Malerei zu widmen, ist für Werner Gruß erst in den letzten fünfzehn Jahren, im Rentenalter, möglich geworden. Zu malen begonnen hatte der in Augsburg geborene Maler allerdings schon im Gymnasium. Danach galt es, einen „richtigen Beruf“ zu erlernen, in einer Zeit, in der die Vorstellungen des Vaters mehr zählten als die eigenen. Bereut hätte er es dennoch nicht, erzählt Werner Gruß in seiner Eröffnungsrede im grünen Raum, habe er doch damit das Geld verdient, um sich später ganz der Malerei widmen zu können.
„Hidden Lady“ mit viel Interpretationsspielraum . Foto: KS
„Wie heißt denn das Bild?“
Den Bezug zum Thema „Sehnsucht“, das alle Ausstellungen im Grünen Raum verbindet, fand Werner Gruß durch den Artikel von Rainer Sachs in der Zeitschrift „KulturBegegnungen.“ „Sehnsüchte kommen von innen und nicht von außen wie Wünsche und Begierden“, heißt es da und Werner Gruß sagt von sich, dass er voller Sehnsüchte steckt. Mit den Titeln sei das allerdings sowieso so eine Sache. Betiteln würde er seine abstrakten Bilder nur deshalb, weil sonst ständig die Frage von Besuchern kommen würde, wie das Bild denn heiße. Besonders bei abstrakten Bildern brauche es im Grund jedoch keinen Titel, meint der Künstler. So entstünde viel mehr Raum für den Betrachter, seine eigene Geschichte im Bild entstehen zu lassen.
Jeden Morgen entsteht eine neue Geschichte
Eines der Bilder des Malers hängt im Schlafzimmer einer Frau in Dresden. „Warum im Schlafzimmer?“, fragte er die Frau, nachdem sie sein Bild gekauft hatte. Weil sie jeden Morgen beim Aufwachen ein neues Bild vor sich entstehen lassen könne, war die Antwort. Neben einigen rein abstrakten Bildern sind in der Ausstellung in Bad Wiessee vor allem abstrakte Bilder mit figurativen Elementen zu sehen. Manche Figuren sind schemenhaft zu erkennen, andere sitzen oder liegen klar erkennbar im Bild. „NY“, eine Reiseerinnerung, gehört zur dritten Gattung der Bilder, den Stadtansichten, und lädt mit warmen Farbtönen und stimmig ins Bild gefügten Personen zum Verweilen ein. Werner Gruß erinnert sich vor allem an die Anonymität der Stadt, wenn er an seinen Aufenthalt in New York zurückdenkt. Der Betrachter seines Bildes hingegen kann sich in vielen Ecken dieser Welt wiederfinden, versinkt in die Komposition und vergisst die kleine Galerie in Bad Wiessee für einen Moment.
„NY“ die Anonymität New Yorks oder doch etwas ganz Anderes. Foto: KS
Sehnsucht nach Fremdem und Vertrautem
Im hinteren Teil des Raumes bestimmt das Thema Wasser das Geschehen. Am Tag des Wassers, der gerade heute, am Tag der Vernissage, ausgerufen wird. Wassertropfen, beinahe plakativ, klar zu erkennen, erinnern daran, dass zwei Milliarden Menschen auf der Erde immer noch keinen Zugang zu reinem Wasser haben und Wasser eine immer knappere Ressource wird.
Im Hintergrund des einladenden Buffets „Lebenselixier 1 und 2“. Foto: KS
Menschen kommen ins Gespräch im Grünen Raum, lassen sich Geschichten von Bildern erzählen, stoßen mit biologischem Weißwein auf die Kunst und das Leben an. Farbkompositionen bleiben im Gedächtnis, wecken die Sehnsucht nach fremden Orten und vertrauten Menschen. Die Enkelin von Werner Gruß erzählt, dass sie auch sehr gerne malt. Vielleicht wird sie auch einmal hier ausstellen, dann, wenn die Sehnsucht nach dem Malen wächst, wie es bei ihrem Großvater der Fall war.