Kuhfladen mit Gold verziert
„Heiliger Berni“ Gold und Kuhmist als Denkanstoß. Foto: Karin Sommer
Vernissage in Rottach-Egern
Sie wussten vielleicht, dass Kuhmist früher als Brennmaterial verwendet wurde. Vielleicht sogar, dass er in Verbindung mit Kalk zum Streichen der Wände beliebt war. Können Sie sich jedoch vorstellen, dass er die Grundlage für außergewöhnliche Gemälde darstellt? Maler Werner Härtl erfindet den Kuhfladen neu.
Da staunte Josef Bogner, Besitzer des beliebten Traditionsgasthauses Voitlhof in Rottach-Egern nicht schlecht. Den Voitlhof aus Kuhmist gemalt zeigte ihm Werner Härtl und beeindruckte damit den Hauseigentümer so, dass dieser ihm sofort eine Ausstellung im Café Gäuwagerl anbot.
Wie kommt jemand darauf, mit Kuhmist zu malen?
Es muss ein Mensch mit einer besonderen Wahrnehmung sein, wohl auch mit einem natürlichen Bezug zu seinem gewählten Material. Werner Härtl ist Illustrator, Grafiker und auch landwirtschaftlicher Betriebshelfer. Seine unterschiedlichen Talente fanden beim Ausmisten eines Kuhstalles zueinander und haben seit dem Jahr 2012 erstaunliche Gemälde zutage gebracht.
Wer jedoch abstrakte Bilder auf großflächigen Leinwänden erwartet, stellt wiederum erstaunt fest, dass es sich um durchaus gegenständliche Malerei in gängigem Format handelt, der landwirtschaftliche Motive zugrunde liegen. Die aber wiederum in keiner Weise klischeehaft sind.
Auszug aus „Ochsenfahrt“ Kuhmist und Blattgold auf Aquarellpapier. Foto: Karin Sommer
Ein denkmalgeschützter Hof, der nicht mehr bewohnbar ist, kommt durch den sepiafarbenen Ton der Kuhmistfarbe zur Wirkung. Alte Traktoren werden detailgetreu abgebildet, längst nicht mehr verwendeten Arbeitstechniken wie dem Holztransport mithilfe von Ochsen haucht Werner Härtl mit seiner Kuhmistkunst neues Leben ein. Immer wieder fließt auch Blattgold in die Bilder ein. Verleiht den abgebildeten Objekten Bedeutung, Würde, erinnert daran, dass manches, das wir als minderwertig betrachten, kaum wahrnehmen oder in Vergessenheit geraten lassen, in Wahrheit Gold wert ist.
Idyllische Kulisse oder vielschichtiger Lebensraum?
Obwohl für den Kuhmistmaler die Freude am Malen im Vordergrund steht und er sich bewusst ist, dass seine Kunst auch anderen gute Laune macht und einen dekorativen Wert hat, geht es doch auch um tiefere Werte, die Werner Härtl transportiert. Wie gehen wir mit der Landwirtschaft um? Welchen Stellenwert gestehen wir ihr zu? Sehen wir sie als idyllische Kulisse oder als der vielschichtige Lebensraum, den sie bedeutet?
Werner Härtls eloquente Rede unterhält die Gäste. Foto: Karin Sommer
Hände, die den Dreck nicht scheuen
Die ausgestellten Bilder lassen spüren, dass es sich bei der Betrachtung Härtls um keine idealisierte oder theoretische handelt. Die Hände, die malen, greifen sprichwörtlich in die Scheiße, rühren darin und lassen etwas Neues entstehen. Dieselben Hände, die zupacken, Stall ausmisten, Kühe füttern, Stiere von der Weide treiben. Es war wohl kein Zufall, dass Werner Härtl als Betriebshelfer auf dem Bauernhof von Schorsch Hahn landete. Da Georg Hahn nicht nur leidenschaftlicher Biobauer und Sensenlehrer ist, sondern auch Musiker, erkannte er das Talent von Werner Härtl und begann, ihn zu vernetzen.
Musikalische Verstärkung für Werner Härtl
Bei der Vernissage im Café Gäuwagerl durfte der Schorsch somit nicht fehlen. Er sang vom Rind, das trotz Rinderwahnsinn optimistisch in die Zukunft schaut und hält sich gesund, in dem er die Leute, die Billigfleisch kaufen, humorvoll in die Hölle singt. Weil zur Rede stellen im Supermarkt und seinen Ärger loswerden, das geht doch nicht. Mitgebracht hatte der Schorsch außer Gitarre und Concertina auch noch zwei weitere Musiker. Andrea Regenauer an der Harfe und Karl Heinz Hummel am Kontrabass überraschten das Publikum mit Liedern aus unterschiedlichen Erdteilen. Heiter, sanft, unaufdringlich und einfach unglaublich schön.
Musikalische Untermalung von Karl-Heinz Hummel (Kontrabass), Schorsch Hahn (Concertina und Gesang) und Andrea Regenauer (Harfe)
Lesetipp: Sensenfest auf dem Hahnhof
Über die Kunst vom Kuhmistmaler Werner Härtl wird man wohl noch einiges hören. Die Kraft und Dynamik, die von seinen Bildern ausgeht, prägt sich ein. Das Malen mit Kuhmist ist außergewöhnlich, aber die Bilder von Werner Härtl überzeugen weit über das verwendete Material hinaus. Sie sind aus Mist gemacht, Goldes wert und sind im Café Gäuwagerl in Rottach-Egern noch bis Dezember 2020 zu sehen. Und damit wir alle Zweifel aufheben: Sie riechen nicht.