West Side Story

Broadwayfeeling statt Schulaufführung

„America“. Foto: Becky Köhl

Musical in Bad Tölz

Standing Ovations, anhaltender Applaus: Auch die letzte, sechste Vorstellung der „West Side Story“ in der Turnhalle des Gabriel-von-Seidl-Gymnasiums in Bad Tölz konnte das Publikum von den Sitzen zu begeistertem Applaus reißen. Und das mit Recht. Was hier geboten wurde, war professionell.

In unserem Vorbericht zu diesem Riesengemeinschaftsprojekt des Tölzer Gymnasiums und der Tölzer Sing- und Musikschule war zu lesen, mit wie vielen Problemen das Team in der Vorbereitung zu kämpfen hatte und wie immer wieder mit ungebrochenem Engagement aller Beteiligten neu angefangen wurde.

West Side Story
Publikum in der Turnhalle. Foto: Becky Köhl

Die Premiere mit der A-Besetzung am 27. Januar geriet zu einem großen Erfolg. Wo aber bleibt die Medienresonanz für die B-Besetzung, die dasselbe Format hat? Wir kamen gern der Frage von Regisseurin Elisabeth Artmeier-Mogl aus Warngau nach, diese Lücke zu füllen, zumal der Landkreis Miesbach mehrfach in der Inszenierung vertreten ist: neben der Regisseurin auch der musikalische Leiter Harald Rossberger, Dramaturgin Sarah Thompson und einige der Darsteller, wie Linus Braun und Simon Helminger.

Professionelle Organisation

Die Perfektion der Veranstaltung zeigt sich bereits vor Beginn. Ausgewiesene Einweiser, Sanitäter und Backstage-Mitarbeiter traten zur Betreuung von 600 Personen an. Wir sitzen neben dem Stellvertretenden Schulleiter Thomas Wendl und er erklärt uns, dass man locker zu den sechs ausverkauften Vorstellungen noch eine siebte hätte füllen können. Aber da viele Ehemalige wieder an die Arbeit müssten und die Turnhalle vermutlich Flüchtlingsunterkunft werde, sei dies heute definitiv das letzte Mal. „Einschließlich der Generalproben haben 4000 Menschen das Musical gesehen“, sagte er. Und es seien insgesamt nahezu 200 Mitwirkende.

West Side Story
Das East-Side-Isar-West-Side-Orchestra. Foto: Becky Köhl

Die Geschichte der West Side Story ist heute ebenso aktuell wie zu ihrer Uraufführung 1957 oder so aktuell wie Shakespeares „Romeo und Julia“, hinzu kommt zum familiären Zwist der Konflikt von Menschen verschiedener Herkunft. Aber es geht auch um eine große Liebe, die aufgrund sozialer Spannungen tragisch endet, wobei doch ein gewisses Maß an Hoffnung bleibt.

West Side Story in perfekter Inszenierung

Was uns in den fast drei Stunden geboten wurde, war perfekt auf der ganzen Linie. Angefangen beim Orchester. Das East-Side-Isar-West-Side-Orchestra unter der Leitung von Harald Rossberger bewältigte die doch sehr anspruchsvolle Musik von Leonard Bernstein in hoher Qualität. Ob lateinamerikanische Klänge, ob melodiöse Lieder oder harte Rhythmen, in allen Stilrichtungen brillierten die Musikerinnen und Musiker mit Präzision im Klang.


Die Jets und die Sharks. Foto: Becky Köhl

Die szenischen Gegenüberstellungen der beiden rivalisierenden Gangs von anfänglichen Pöbeleien bis zum Kampf mit tödlichem Ausgang zeigten die problembelasteten Auseinandersetzungen zwischen den einheimischen „Jets“ und den puertoricanischen „Sharks“ in beklemmender Weise, weil jederzeit auf andere Gruppierungen übertragbar. Auch optisch gut gelöst, die Jets in Jeans, weißem T-Shirt und Hemd, die Sharks in bunten, zumeist in Rottönen gehaltener Kleidung.

Die vielen sehr unterschiedlichen Tanzeinlagen (Choreografie Susanne Molendo) unterschiedlicher Gruppen waren schlicht großartig, natürlich begeisterte das bekannte „America“ mit den schwingenden farbigen Kleidern der Puertoricanerinnen ganz besonders, aber auch die stilleren Tänze, wie die Ballettszene in weißen Kleidern geriet außerordentlich eindrucksvoll und bewegend. Ergänzt wurden die Tänze von imponierenden akrobatischen Darbietungen.


Akrobatik. Foto: Becky Köhl

Mit den Dialogen (Markus H. Eberhard) hielt sich die Aufführung an das Buch von Arthur Laurents. Beängstigend die Ausdrucksweise, da sagt doch tatsächlich der Polizist: „dummes Einwandererpack“. Es gibt aber auch andere Töne. Als Maria unbedingt für den abendlichen Ball ihren Kleidausschnitt tiefer haben möchte und sagt: „Das Kleid ist zum Tanzen und nicht zum Beten da.“ Und es gibt den wahren Satz: „Man braucht keinen Mum, um einen Krieg anzuzetteln.“


Das erste Treffen von Maria und Tony. Foto: Becky Köhl

Womit wir bei den Darstellenden angelangt sind. Stars des Abends sind zweifellos Maria und Tony. Sophie Bicanic meistert mühelos selbst die höchsten Töne und überzeugt auch schauspielerisch in ihrer Liebe und in ihrer Verzweiflung. Anton Weinmann begeistert bereits bei „Maria“ mit seiner ausdrucksstarken Stimme. Und bei der Balkonszene singen beide in glanzvoller stimmlicher Harmonie ihr Duett „Tonight“, bravorös.


Die Balkonszene. Foto: Becky Köhl

Aber auch Kilian Widman als Riff und Simon Helminger als Action bei den Jets, sowie Gesa Hepbildikler als Anita, Keira Falkner als Rosalia, Marc Schröder als Bernardo und Linus Braun als Chino bei den Sharks überzeugen mit ihrem sängerischen und schauspielerischen Können. Eine gut gespielte Sonderstellung nimmt Julia Altenschöpfer als Anybody’s ein, sie will bei der Jungengang dazugehören, wird aber immer wieder verstoßen.


Tanzeinlage. Foto: Becky Köhl

Alles passt, selbst die Blumen im Haar der Puertoricanerinnen, das Bühnenbild, das immer wieder tänzerisch und flink von der Komparserie umgestellt wird, das gut gemachte und informative Programmheft. Auch das gesungene amerikanische Englisch ist akzentfrei, bestätigt die Fotografin, gebürtige Amerikanerin.

Ein großes Kompliment an alle Mitwirkenden und Verantwortlichen dieser mehr als gelungenen Inszenierung. Das war echtes Broadwayfeeling in der Turnhalle von Bad Tölz.

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