Wheel of Life

Wheel of Life – eine musikalische Hommage an Fritz Kahn

Wheel of Life – das Albumcover. Foto: Konstantin Kern

CD-Rezension

„Mit dem Album WHEEL OF LIFE haben die beiden Ausnahmetalente und musikalischen Weggefährten Julian Hesse und Stephan Plecher ein Werk geschaffen, in dem sie die Kunst der Duos neu vermessen.“ Solche Pressetexte stellen die Fähigkeiten von Künstlern oft übertrieben virtuos dar – doch nicht in diesem Fall.

Aus dem Moment heraus haben der Miesbacher Trompeter Julian Hesse und der Pianist Stephan Plecher im Oktober 2018 mit WHEEL OF LIFE eine musikalische Verbeugung vor und Hommage an den Arzt und Illustrator Fritz Kahn geschaffen. Dieser wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem Pionier auf dem Gebiet der Informationsgraphiken. Seine Leistung bestand darin, komplexe anatomische, biologische und gesellschaftliche Prozesse vereinfacht darzustellen.

Minimalismus und Wissenschaft

In der Musik von Hesse und Plecher spiegelt sich dieser minimalistische Ansatz auch immer wieder wider, wenn beispielsweise ein Lied frei ist von den üblichen Melodie-Wiederholungen, es einfach nur in der Kürze seiner Aussage erklingt. Denn dann ist ja bereits alles gesagt. Es bedarf keiner unnötigen Erklärung oder Ausschmückung.

Außerdem finden sich im Album WHEEL OF LIFE teilweise biologische, geographische oder sphärische Bezüge. Auf wundersame Weise assoziieren die Titel der Stücke und das Cover der CD zusammen mit der gespielten Musik mit wissenschaftlichen Themen wie Zeit und Raum.

Playlist

Im Folgenden möchte ich meine spontanen Gedanken zu den einzelnen Liedern des Albums mit Ihnen teilen:

  • Fré: Eintauchen in die Atmosphäre. Die Musik führt vom Nichts zur Lebendigkeit, doch urplötzlich ist es dann zu Ende.
  • Free: Viele verschiedene Teile setzen sich zu einem großen Ganzen zusammen.
  • Das Man: Ich höre freie, jazzige Melodien. Der wohltuende, samtige Klang von Trompete und Klavier streichelt die Seele, wühlt zwischendurch immer wieder ein wenig auf, um schlussendlich in totalem Einklang zu enden.
  • In Due Time: Englisch für ‘rechtzeitig’. Ein Spiel mit dem Titel. Es geht darum rechtzeitig einzusetzen, um im Takt zu bleiben. Aber auch darum nach den Pausen rechtzeitig-spät-genug einzusetzen, um Spannung zu erzeugen, aber den Bogen nicht abreißen zu lassen. Rhythmischer Groove.
  • Freer: Die Stimmung ist erst bedrückend oder bedrohlich, dann durcheinander und schließlich niedergeschlagen.
  • Lunahs Lullaby: Diese Lunah muss eine beeindruckende Person sein. Ich stelle mir eine Diva im Pelzmantel vor, die eine Zigarette im Zigarettenhalter raucht. Scheinwerfer. Getümmel. Singen und Tanzen. Dann ist die Show zu Ende.
  • Odeweg: Anfangs ist die ODE zu hören, dann ist sie sehr schnell WEG. Sie weicht einer teils einfühlsamen Jazznummer.

Wheel of Life

  • Wheel of Life: Fritz Kahn sagte: “The concept of time is relative.” Genau dieser Satz beschreibt das Stück. Kein festes Metrum, höchstens streckenweise. „Wheel of Life“ – das Lebensrad. Es erklingen verschiedene Abschnitte des Lebensweges. Manchmal ist alles eitel Sonnenschein, dann dominieren harmonische Melodien und Akkorde und ein stetiger Rhythmus. Zwischendurch gibt es aber auch Durststrecken oder Tiefpunkte, Aufwühlendes und Emotionales. Hier sind alle Gefühle in einem Stück vereint.
  • The Other Blues: Auch hier empfindet man immer wieder eine Loslösung von Raum und Zeit. Eine sehr groovige Nummer.
  • Miss Terioso: Schon wieder eine derart interessante Persönlichkeit. Ist es eine echte Soullegende oder doch eine eher tragische Person, die von Kummer geplagt ist? Vielleicht findet der ein oder andere auch seine eigene Geschichte in diesem Lied wiedergespiegelt.
  • Sky People: Etwas Besonderes, das sich nur schwer greifen lässt. Hier konkurriert die Leichtigkeit der Melodie mit der Schwere der Begleitung.
  • Freeze: Der Moment soll scheinbar eingefroren werden.
  • These Foolish Things: Das einzige fremde Stück und doch so vertraut. Im Gegensatz zu den restlichen Liedern ist dieses hier nicht von Hesse oder Pecher komponiert. Es ist ein Jazzstandard. Mit seinen charmanten Melodien kommt es einem sofort bekannt vor, auch wenn man es noch nie gehört hat.

Resümee

Nachdem ich das gesamte Album angehört habe bin ich völlig geplättet und wünsche mir gleichzeitig noch mehr. Julian Hesse und Stephan Plecher reduzieren die Musik auf das Wesentlichste, lassen aber gleichzeitig den Dingen ihren Lauf. Der Charme von WHEEL OF LIFE zeugt aus der homogenen Zweisamkeit, die die Musik ganz groß klingen lässt. Sie haben „ein Werk geschaffen, in dem sie die Kunst des Duos neu vermessen.“

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