Neues zum Mythos Wildschütz Jennerwein
Wildschütz Jennerwein mit dem Agerl und dem kleinen Roserl. Foto: Rosa Sewald
Dokumentation und Film
Ein Foto vom Flohmarkt, die Erzählungen der Großmutter und 40 Jahre Recherche haben zu einem neuen Bild des Wildschütz Jennerwein geführt. Unter „Der Mythos lebt“ brachte kürzlich der BR einen Beitrag mit Schorsch Kirner und Heimatforschern aus dem Landkreis Miesbach.
Schorsch Kirner aus Baldham ist eigentlich als Abenteurer und Weltenbummler bekannt. Er ist der älteste Mensch, der Nord- und Südpol zu Fuß erreicht hat. 50 Jahre lang unternahm er Expeditionen in alle Welt und wurde für seinen Einsatz für bedrohte Naturvölker mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Heute aber befasst sich der 85-Jährige eher mit Geschichten aus der Heimat.
Der Grund dafür liegt in seiner Kindheit. Seine Eltern seien arme Tagelöhner gewesen, erzählt er und deshalb habe man ihn zur Großmutter auf die Alm im Spitzingseegebiet als Hirte gebracht. Dort erfuhr er die Geschichte vom Girgl Jennerwein. Ein Halunke und Weiberheld sei er gewesen, sagte die Großmutter Kathi, ein lebenslustiger Wildschütz, der von seinem Rivalen ermordet wurde, erzählten die Holzknechte.
„Nichts im Leben ist Zufall, alles ist Bestimmung.“ Davon ist Schorsch Kirner überzeugt, denn auch vom Großvater in Fischbachau erfuhr er die Geschichte, denn dessen Chef, der Jäger Simon Lechenauer spielte eine große Rolle in den Ereignissen im Jahr 1877. Zudem habe er von seiner Taufpatin Anni Jennerwein ein Gewehr geschenkt bekommen, das wohl dem Girgl gehört haben und mit dem er zu Tode gekommen sein soll.
„Wie es wirklich war“
All diese Dinge, so sagt Schorsch Kirner, hätten ihn bewogen, die vielen unterschiedlichen Versionen zum Leben und Tod des Wildschützen Jennerwein zu beleuchten. Zu Hilfe kam ihm, dass er die Gerichtsakten im Staatsarchiv einsehen konnte. Zum 140. Todestag veröffentlichte Schorsch Kirner die Dokumentation „Wie es wirklich war“. Inzwischen habe er noch eine Menge zusätzliches Material erhalten, so Bilder vom Geburtshaus des Girgl Jennwein in Holzkirchen-Haid.
Bei seinen Recherchen habe ihn Manfred Kick aus Agatharied sehr unterstützt, sagt Schorsch Kirner. Dieser legt großen Wert darauf, dass der Jennerwein, nicht wie immer behauptet werde, ein Schlierseer war, sondern laut Gerichtsakten ein Agatharieder, auch wenn er auf dem Friedhof in Westenhofen-Schliersee begraben wurde. Im BR-Film betont Manfred Kick, dass in der Urfassung am Grab Wildschütz Jennerwein gestanden habe und man ihn nicht zum Wilderer abqualifizieren solle.
Dokumentation und Autor Schorsch Kirner zum Wildschütz Jennerwein. Foto: MZ
Was also war geschehen, damals im Jahr 1877? Der Girgl Jennerwein, ein offensichtlich gutaussehender Holzarbeiter, verdiente sich mit dem Jagen noch etwas dazu, so wie viele damals. Beim Hennerer, heute noch bekannter Ausflugsort, trafen sich die Burschen. Bedienung Reserl und der Jennerwein fanden wohl Gefallen aneinander, sie brachte ein Kind zur Welt.
Weniger gutaussehend und ungepflegt sei der Jagdgehilfe Josef Pföderl gewesen, erzählt Schorsch Kriner. Dennoch hatte sich das fesche Agerl von der Sigrizalm mit ihm zur Leonhardifahrt in Tölz verabredet und der Pföderl wollte ihr sogar einen Heiratsantrag machen. Dann aber kam ihm der Jennerwein in die Quere, schoß dem Agerl eine Rose, und „aus wars“. Der Pföderl habe seinem Rivalen ewige Rache geschworen.
Selbstmord vorgetäuscht
Als sich dieser dann gar noch über ihn lustig machte und das Agerl ein Kind bekam, lauerte er ihm am Peißenberg auf und erschoss ihn von hinten. Den Tipp hatte er vom Reserl bekommen, die Bedienung aber, so fand Schorsch Kirner heraus, habe ihren Verrat später zutiefst bedauert. Damit es wie ein Selbstmord aussieht, hatte der Mörder seinem Opfer das eigene Gewehr am Zeh befestigt und zweimal abgefeuert. Seine Tat gestand er dann dem Förster Simon Lechenauer. So habe es ihm der Großvater erzählt, sagt Schorsch Kirner.
Erst am neunten Tag nach der Tat wurde der Wildschütz gefunden und in Westenhofen beerdigt. Noch heute, so ist es im BR-Film zu sehen, werden Patronen am Grab abgelegt, die dem Mörder gelten.
Die Grabpflege obliege, so berichtet Manfred Kick, dem Trachtenverein D’Schlierachtaler Stamm Hausham, der sich aus dem Freundeskreis von Georg Jennerwein gegründet hatte.
Kurz vor dem Mord, so fand Schorsch Kirner heraus, muss der Jennerwein das Agerl mit ihrer gemeinsamen kleinen Tochter, dem Roserl, besucht haben. Eine Sommerfrischlerin, die Münchner Malerin Rosa Sewald habe dabei mit ihrer Plattenkamera ein Foto gemacht. „Aufgrund eines Hinweises von Sepp Grill (langjähriger Gemeinderat) konnten wir die Wohnstube mit der Familienszene der jungen Familie Jennerwein zuordnen. Diese befindet sich nahezu unverändert in dem Bauernhof Rettenböck/Agatharied. Eigentümer des Bergbauernhofes ist heute Sebastian Brenner“, teilt Manfred Kick mit.
Das Foto habe er aus unerklärlichen Gründen auf einem Flohmarkt gefunden, sagt Schorsch Kirner. Wie gesagt: „Nichts im Leben ist Zufall.“