Wissenschaft und Humor, geht das?
Karikatur vom Herausgebertrio: Wolfgang Chr. Goede, Prof. Dr. Wolfgang M. Heckl, Dr. Marc-Denis Weitze (v.l). Grafik: Marlene Heckl
Buchtipp von KulturVision
Mit ihrem eben erschienenen Buch „Kann Wissenschaft witzig?“ beweisen die Herausgeber, dass das durchaus geht, und legen eine Handreichung vor, die für Lehrer und Dozenten, für Wissenschaftler und Journalisten wichtige Impulse gibt und zum Nachmachen anregt.
Leider ist es heute immer noch so, dass Prominente in Talkshows genüsslich berichten, wie schlecht sie in Physik und Mathe waren. Das ist zum einen nicht gerade beispielhaft für den Nachwuchs, zum anderen aber auch ein schlechtes Zeugnis für den Unterricht und die Lehrenden. Auch auf wissenschaftlichen Tagungen ist es üblich, ernst, trocken, fachchinesisch zu referieren.
Nur sehr langsam hält die Lockerheit Einzug in die wissenschaftliche Kommunikation in Deutschland, nur langsam setzt sich durch, dass ein Vortrag oder eine Unterrichtsstunde gewinnt, wenn sie durch heitere Episoden mit spannenden Menschen, auch Story Telling genannt, ergänzt werden.
Wissenschaftskommunikation gefragt wie nie
Im vergangenen Jahr hat die Wissenschaftskommunikation einen ungeahnten Aufschwung genommen, nie zuvor wurden in den Medien Wissenschaftler so oft befragt. Nie zuvor hingen politische Entscheidungen so stark von den Aussagen der Wissenschaftler ab und die Menschen dürsteten nach verständlichen Erklärungen. Humorvoll indes war das nie. Aber, so schreiben die Herausgeber am Ende dieses Buches, das vor der Coronakrise fertig war, es gelte jetzt auch diese kabarettistisch zu thematisieren und, so schließen sie, die Wissenschaft sollte ihren Witz wiederfinden.
21 Facetten von Wissenschaft und Humor
Einer der das schon immer gut gekonnt hat, ist Wolfgang M. Heckl, Generaldirektor am Deutschen Museum und Physikprofessor an der TU München. Jetzt gehört er mit Marc-Denis Weitze von der TU München und Wissenschaftsjournalist Wolfgang Chr. Goede zu den drei Herausgebern, die in 22 Kapiteln sehr unterschiedliche Autoren zu Wort kommen lassen. Diese beschreiben die vielen Facetten des Themas Humor in der Wissenschaft und geben praktische Beispiele.
Elisa Pfleger, Gewinnerin des Science Slam 2020 der Initiative „anders wachsen“ im Foolstheater Holzkirchen. Foto: Petra Kurbjuhn
Schon an der Sprache im Einstieg wird klar, staubtrocken ist das nicht, wenn es heißt, es solle „möglichst wenig kühler Pfefferminzatem, sondern eher mal Schenkelklopfer“ geben. Natürlich ist das erste Beispiel der Science Slam, der als Einladung für diejenigen gedacht ist, die sonst eher keinen Zugang zur Wissenschaft finden. Hier wird Wissenschaft kurz, unterhaltsam, auch humorvoll, für jeden verständlich vermittelt. Science-Slam-Erfinder Alex Dreppec empfiehlt: „befreit mit dem Flusensieb Flausen von Phrasenbröseln“, das macht doch Spaß, oder?
Lesetipp: Endlich wieder Science Slam
Im Folgenden kommen Wissenschaftskabarettisten, ja, fast nur Männer, zu Wort. Frauen sind dünn gesät, Constanze Lindner wird befragt, der in der frühen Jugend gesagt wurde: Wissenschaft verstehst du eh nicht! Dabei ist es doch ganz einfach, wie Vince Ebert zeigt: Wissenschaftliches Denken ist Überprüfung von Vermutungen. Mit einigen wenigen Gags erklärt er das Prinzip der Falsifizierbarkeit und fordert von einem guten Bildungssystem, dass es Fragen stellen und keine vorformulierten Antworten geben solle. Zudem sei Humor ein mächtiges Instrument zur Wissensvermittlung.
„Die Anstalt“ und Eckart von Hirschhausen
„Die Anstalt“ – ein Paradiebeispiel für Wissenschaftskommunikation wird ebenso vorgestellt wie Poetry Slammer Georg Eggers, der ein Minnelied über die Liebe zu Mathe komponierte. Festgefahrene Überzeugungen bei Wissenschaftlern werden karikiert und Scharlatane wie Uri Geller entzaubert.
Eckart von Hirschhausen ist der Erfinder des medizinischen Kabaretts. Er zeigt an Beispielen, wie ein Witz funktioniert, beweist, dass Humor die beste Medizin ist und dass jede Art von Ideologie völlig humorlos daherkommt.
Unfreiwilliger Humor
Jaromir Konecny ist der Derblecker von acatech, der Akademie der Technikwissenschaften und findet in eigentlich ernst gemeinten Texten eine Menge unfreiwilligen Humor. Er „übersetzt“ auch die unverständlichen Satzungetüme in lockeres Deutsch, ausgerechnet ein Tscheche.
Lesetipp: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?
Martin Puntigam ist Teil der österreichischen Science Busters, die in unterschiedlicher Besetzung Wissenschaft humorvoll vermitteln. Er zeigt die Kraft der Geschichte am Beispiel des Heiligen Geistes und meint, da könne die Wissenschaft durchaus noch von der Religion lernen. Über die Diktatur der Dummheit referiert Jean Pütz und Helmut Schleich erinnert sich mit Pat und Patachon an seine Mathe- und Physiklehrer, skurille Typen.
Persönlichkeit des Lehrenden
Wie wichtig in der Wissensvermittlung die Persönlichkeit des Lehrers oder Dozenten ist, weist Michael Suda nach. Er muss vom Stoff begeistert sein, seine Zuhörer wertschätzen und eine Atmosphäre des Zusammenspiels schaffen. In diesem Kapitel erhält der Leser, die Leserin besonders viel wertvolle Hinweise über den Einsatz von Humor, wissenschaftlich exakt formuliert, mit zahlreichen Witzen garniert.
Wissenschaftler: macht euch locker und nehmt euch nicht zu ernst – das empfiehlt auch Mitherausgeber Marc-Denis Weitze, hier mit dem Buch „Kann Wissenschft witzig?“. Foto: MZ
Mitherausgeber Marc-Denis Weitze beschließt den Reigen mit einem eigenen kabarettistischen Beitrag und einem Leitfaden für einen gelungenen humorigen Vortrag, den er aus seinem Kabarettunterricht zusammengestellt hat. Damit gibt der Holzkirchner einen wertvollen Rezeptkoffer an die Hand. Wolfgang Chr. Goede schließlich ruft auf: üben, experimentieren, machen. Humor und Selbstironie, so der Wissenschaftsjournalist, tun Wissenschaft gut.
Humor als kritisch hinterfragendes Werkzeug
Mit den Anregungen aus diesem Buch sollte es gelingen, Wissenschaft für breite Kreise der Bevölkerung spannend zu gestalten aber auch Humor als kritisch hinterfragendes Werkzeug einzusetzen und es sollte Lehrende befähigen, junge Menschen für Naturwissenschaften zu begeistern, nicht nur als Pat und Patachon.