Reise in geheimnisvolle Klangwelten
Seelenverwandte Reisende zwischen den Klangwelten: Wolfgang Netzer und Ranajit Sengupta. Foto: Ines Wagner
Konzert in Waakirchen
Seelengefährten sind Wolfgang Netzer und Ranajit Sengupta, auf einer gemeinsamen Reise durch die europäische, orientalische und indische Musik. Ihre komplexen Rhythmen bilden kaleidoskopartig „The Coral of Life“ – East meets West und Inbetween.
Wolfgang Netzer ist ein gern gesehener Musiker in Waakirchen, an die zehn Mal ist er schon da gewesen. Und liest man seinen Tourplan, ist es schon fast ein Wunder, dieses kleine Waakirchen mit seiner Kleinkunstbühne in der Schulaula. Das ist Hugo Eder zu verdanken, dem Veranstalter. Und vielleicht auch dem, was Netzer „wie Bienen, die auf Blüten fliegen“ nennt. So, wie auch er und Ranajit Sengupta aufeinander zugeflogen sind, in der magischen Anziehung des Fremden, des passenden Anderen, der musikalischen Ergänzung.
Virtuoser Zauber malerischer Klanglandschaften
Fremde Töne, vertraut zugleich, warm, volltönend, mit Klarheit und Schwung, nehmen die Gäste mit auf eine Reise rund um die Welt. Netzer und Sengupta spielen ausschließlich Saiten, insgesamt 55 sind es. 25 hat die indische Laute Sarod von Ranajit Sengupta, 11 Saiten die Oud, der Wolfgang Netzer weiche und geheimnisvolle Töne entlockt, und weitere 6 bzw. 12 Saiten haben seine beiden Gitarren.
Es ist eine schwebende Reise durch geheimnisvolle Klangwelten. Manchmal ist es die europäische Idee, die den Ton angibt, um deren Klänge die Saiten der indische Laute mäandern, dann wieder nimmt die Sarod die Oud oder Gitarren mit auf eine traumwandlerische Reise durch die Landschaften Indiens. Wolfgang Netzer legt Klangwolken über Ranajits Lied, ohne zu rhythmisieren. Die Zuhörer schweben mit in diesen Wolkengebilden. Und manchmal treffen sie sich irgendwo in einer malerischen Klanglandschaft dazwischen. Bilder sieht man, von Landschaften, Bergrücken, Wüsten, weitem Land. Da ist nie Enge. Sondern eine Freiheit und Weite, man möchte fliegen.
Ranajit Sengupta ergänzt komplementär diese musikalische Reise auf seiner Sarod. Foto: Ines Wagner
Dass die Bilder vorm geistigen Auge so plastisch gelingen, mag daran liegen, dass Wolfgang Netzer auch Filmmusik komponiert. Er schafft Musik und zugleich liefert er die Bilder mit. Es ist eine malerische Musik, dynamisch, melodisch, träumerisch. Vor allem aber ist da diese tiefe Verbundenheit der beiden Musiker. Jedes Stück dieses wunderbaren Konzertes führt die Zuhörer in einen neuen Klangkosmos. Man spürt, da spielen zwei Seelenverwandte, zwei leidenschaftliche Reisende zwischen den Welten. Und den Zuhörern fällt es nicht schwer, mit ihnen zu gehen. Das Fremde ist nicht fremd, wenn man von Freunden an die Hand genommen und geleitet wird. Das vermag die Musik Netzers und Senguptas, dessen Gesang zugleich sehr fremd und sehr vertraut ist.
Die unantastbare Schönheit der Schöpfung
Eines der Herzensprojekte Wolfgang Netzers ist „The Goodall Projekt“, entstanden aus der Arbeit am Soundtrack zu „Jane’s Journey – Die Lebensreise der Jane Goodall“. Jane Goodalls Gedanken und Schriften vermochte Wolfgang Netzer durch die Musik in einer neuen Empfindungsebene auszudrücken – die tiefe Sehnsucht, den Urgedanken des Lebens, die unantastbare Schönheit der Schöpfung. „Jede Sekunde hat der Mensch die Chance, etwas zu verändern. Und Jeder kann etwas verändern“ heißt es in einem Gedicht Jane Goodalls. Wolfgang Netzer hat daraus ein Stück komponiert „Every second“. Gitarre und Sarod umfließen einander im 7/8tel Takt. Es ist ein positives , dynamisches, kraftvolles Stück, das Mut macht, über die Möglichkeiten nachzudenken, die jeder Einzelne hat, etwas zu verändern.
Wolfgang Netzer legt virtuos mit seiner Oud Klangwolken über das Spiel der Saroud. Foto: Ines Wagner
Während Rana Sengupta, Professor für Sarod in Indien und Dozent in Amerika und Europa, seine 25 Saiten stimmt, überbrückt Wolfgang Netzer augenzwinkernd musikpädagogisch. In Deutschland würde man kaum mehr Takte kennen als den 3/4 und 4/4 Takt, alles andere sei quasi nicht radiotauglich. So wie das ganze Abendprogramm sozusagen, zumindest die Titel, wo die Sarod einen 7/8 Takt vorgibt. Ja, und genau das macht dann wohl auch den Zauber dieser fremden und doch irgendwie vertrauten Musik aus. So vertraut, dass das Publikum sich nicht entziehen kann und die Verbundenheit spürt, die diese Eine Welt verbindet. In den warmen Klängen der Oud, der Sarod und der Stimme Senguptas.
Die CD „ASA – Coral of Life“ ist bei Polyglobemusic erschienen. Repro: KN