Würsteloper

Grotesk, bitterböse und humorvoll: „Würsteloper“

Die FLTB-Delegation aus Bayern mit dem Waldviertler Intendanten: Judith Heimerl, Detlef Dauer, Cathrin Paul, Moritz Hierländer und Ingrid Huber (v.l.). Foto: Petra Kurbjuhn

Theater in Pürbach/NÖ

Zum wiederholten Male machte sich eine Gruppe Theaterleute vom Freien Landestheater Bayern auf, um das Wald4tler Hoftheater zu besuchen. Mit der „Würsteloper“ von Hakon Hirzenberger sei wiederum ein Geniestreich gelungen, meint Ingrid Huber.

War es im vorigen Jahr die überaus gelungene Inszenierung von „Lumpazivagabundus“ in dem Theater im niederösterreichischen Pürbach, hatten sich die Holzkirchner Schauspieler mit ihrer Regisseurin und Kostümbildnerin in diesem Jahr für eine Urraufführung entschieden.

Die „Würsteloper“ klingt erst einmal wenig verlockend, entpuppt sich aber als ein rasantes, groteskes, bitterböses, amüsantes und typisch österreichisches Theaterstück, ein Lehrstück, wie Cathrin Paul resümierte.

Würsteloper
Karli (Valentin Frantsits) bedient seine Gäste Maximilian (Nikolaus Firmkranz), Betty (Karolin Troger) und Sandro (Peter Pertusini). Foto: Petra Kurbjuhn

An Karlis Würstelstand (Bühnenbild von Gerhard Kainzner) spielt sich im Mikrokosmos die gesamte Welt der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Österreichs ab. Es geht um Macht, Korruption, Intrigen, Erpressung und Nationalismus ebenso wie um Transgenderfragen, Migration oder Veganismus.

Dabei spielt ein nicht auftretender „Werner“ eine wichtige Rolle im Hintergrund. Vor dem Würstelstand aber versammeln sich der Politiker und der Baulöwe mit einer ehemaligen Pressesprecherin. Es geht um Umwidmung einer alten Kaserne, um die Aufhebung von Denkmalsschutz, wobei eine Unterschrift eine wichtige zu bezahlende Rolle spielt. Für das neue Bauvorhaben muss allerdings ein Wald weg, nur da hat sich jetzt die zu schützende Knoblauchkröte angesiedelt.


Der bodenständige Karli mit Hausverstand. Foto: Petra Kurbjuhn

Das Motto von Politiker und Baulöwe ist klar: „Es ist okay, wenn wir uns alles nehmen“ und „Wichtig ist, dass man Zaster schafft“. Den Gegenpol dazu bildet der bodenständige Würstelbrater Karli, der als Kapitalismuskritiker und Tierschützer von den beiden anderen lächerlich gemacht wird. Dazwischen steht Betty oder auch Heidi, ein wenig zwielichtig in ihrer Rolle.

Und dann verschwindet Karli, stattdessen taucht eine Frau auf, die von der Optik her eine Migrantin sein könnte und augenscheinlich kein Deutsch versteht, was den Dreien die Möglichkeit bietet, frank und frei über ihre Geschäfte zu parlieren, letztlich aber in ihr Verderben führt. Aber wo ist Karli? Und warum schmeckt heute die Wurst so anders?


Grandioses Ensemble. Foto: Petra Kurbjuhn

Das Schauspielensemble ist grandios. „Ein schauspielerischer Kraftakt“ sagen die Holzkirchner Theaterleute. Von Sprache, Gestik, Mimik, Akrobatik alles vom Feinsten. Die Figuren sind sämtlich überzeichnet, um die Aussage das Stückes zu erhöhen. Nikolaus Firmkranz ist ein biegsamer, konservativer Politiker Maximilian, der permanent laut hinausschreit: „Österreich ist frei“ und von der Festung Österreich schwadroniert. Sandro, der Baulöwe, wird von Peter Pertusini schmierig und äußerst unangenehm mit einer kreischenden Stimme gegeben. Ingrid Huber sagt: „Ich wäre am liebsten auf die Bühne gesprungen und hätte ihn zum Schweigen gebracht.“

Würsteloper
Sandro versucht Delila (Julia Augscheller) etwas zu vermitteln. Foto: Petra Kurbjuhn

Karolin Troger als Betty oder Heidi wandelt sich im Laufe des Stückes von der undurchsichtigen Pressesprecherin hin zur Frau mit Charakter. Valentin Frantsits ist ein ganz normaler Ladenbesitzer Karli mit Hausverstand, so wie man sich Otto Normalverbraucher wünscht.

Eine Paraderolle hat Julia Augscheller als Migrantin Delila. Ihre Darstellung der nichtverstehenden Ausländerin, was wiederum die drei Konsumenten zu den verrücktesten sprachlichen und körperlichen Verrenkungen führt, ist großartig und urkomisch und einer der Höhepunkte der Inszenierung.


Verrückteste Verrenkungen. Foto: Petra Kurbjuhn

So ist das Stück, wie die Holzkirchner feststellen, vielschichtig, erfordert am Anfang hohe Aufmerksamkeit, wie Judith Heimerl sagt, ist aber keineswegs anstrengend, sondern die Themen erschließen sich der Reihe nach. „Sozialkritisch und allgemeinverständlich“ sei das Lehrstück, meint Detlef Dauer und Andrea Schmid fand es bestechend dargestellt, wie sich die Hysterie der Protagonisten hochschaukelt zu heftigster Gewalt.

Wie es ausgeht? Ist der Karli verwurstet? Oder Happy End? Alles Gutmenschen? Das Stück schließt mit einem Lied, in dem sich das Publikum wiederfindet. Die eingefügten Gesangsstücke von Matthias Jakisic bereichern die gelungene Inszenierung von Hakon Hirzberger und lassen in dem temporeichen Stück kurzzeitig Ruhe einkehren.

Würsteloper
Die Situation eskaliert. Foto: Petra Kurbjuhn

Die „Würsteloper“ lässt Assoziationen zu Brechts Dreigroschenoper (Erst kommt das Fressen, dann die Moral.) ebenso zu wie zu Nestroyscher Art, die österreichische Mentalität auf die Bühne zu bringen. Dem Autor und Regisseur gelingt es mit einem brillanten Schauspielensemble den Zeitgeist mit all seinen Tiefen auszuloten, die punktgenauen Dialoge, die sich mit Liedern abwechseln, lassen schaudern und schmunzeln zugleich.

Leider gibt es im Wald4tler Hoftheater keine Aufführungen der „Würsteloper“ mehr, aber die Koproduktion mit Steudtenn in Kooperation mit dem Theater Akzent Wien wird an dieser Bühne noch zu sehen sein. In Pürbach gibt es im August noch „Das letzte Mal“, „Dinner für Spinner“ und auf der Freiluftbühne „Jedermann“, in einer völlig neuen Fassung, wie Intendant Moritz Hierländer betont. Informationen und Kartenreservierungen über die Webseite.

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