Endlich wieder „Zeitlang“ – in Weyarn
Boxer. Foto: S. Beck
Ausstellung im Bürgergewölbe
Es war ein glückliches Wiedersehen. Zwei Jahre waren die Fotos von Sebastian Beck coronabedingt eingelagert. Nun konnte der Journalist und Fotograf sie im Weyarner Bürgergewölbe wieder auspacken, wo sie in den nächsten vier Wochen zu sehen sind. Die Ausstellung „Zeitlang – Erkundungen im unbekannten Bayern“ bildet den Auftakt für die Weyarner Kleinkunsttage im April.
Vor über fünf Jahren begannen die beiden SZ-Redakteure Sebastian Beck und Hans Kratzer ihr Projekt „Zeitlang – Erkundungen im unbekannten Bayern.“ Über zwanzig Jahre waren die beiden gemeinsam für Recherchen für die Süddeutsche Zeitung unterwegs.
Anekdoten und große Heiterkeit bei der Vernissage
Aus den vielen Berichten, Geschichten und Fotos aus den hintersten Ecken Bayerns entstand zunächst ein Buch und 2019 die erste Ausstellung in Burghausen. Nach mehreren Stationen u.a. in Passau, Regensburg und dem Münchner Literaturhaus ist ein Teil davon nun in Weyarn zu sehen.
Sechs großflächige Fotos und viele kleinere Formate wurden thematisch passend angeordnet. Wirtshaus, Landschaften, Religion, Sport, Menschen, Landshuter Hochzeit – das und noch mehr sind die Themengebiete, denen sich Sebastian Beck und Hans Kratzer widmen. Vor allem haben sie auch jede Menge Anekdoten zu erzählen – große Heiterkeit herrschte bei der Vernissage am Sonntag, gebannt lauschten die Besucher den vielen Geschichten.
Sebastian Beck erklärt Zeitlang. Bild: Olaf Fries
Liebeserklärung an die andere Heimat
Heimat, mit ihren grandiosen, hässlichen oder auch skurrilen Seiten. „Mich interessiert nicht die Hauptstraße. Mich interessiert das, was sich links und rechts davon befindet“, so Sebastian Beck. Als Redakteur ist er sowieso ständig mit dem Auto quer durch ganz Bayern unterwegs. Und nicht nur bildlich gesprochen biegt er dabei ganz oft ab in die hintersten Nebenstraßen.
Beim Tragerwirt in Neumarkt St. Veit. Bild: Anschi Hacklinger
Hans Kratzer und Sebastian Beck sind Schatzsucher. Sie entdecken besondere Menschen, diametral entgegen dem Mainstream. Sie portraitieren keine hippen Fernsehköche, sondern die Wirtin vom Tragerwirt. 400 Jahre lang gab es die Dorfwirtschaft, Resi Trager war die letzte Wirtin, bevor 2019 die Kündigung hereinflatterte. Jetzt ist eine Bank in den sanierten Räumlichkeiten, in denen schon im 30-jährigen Krieg hungrige Gäste bewirtet wurden. Sebastian Beck und Hans Kratzer setzten der excellenten Köchin immerhin noch ein Denkmal.
Sportereignisse wie aus den 80ern
Neben Wirtshäusern haben es den beiden auch Sportereignisse angetan wie das Bierzeltboxen in Simbach am Inn. Hier wurde Jaroslav Fabric zum Helden, der vom hünenhaften Gegner aus Berlin anständig vermöbelt wurde. Angezählt bis neun, dann stand er doch noch auf. Und verpasste dem besser trainierten und größeren Gegner einen derartigen Kinnhaken, dass die Menge ihn trotz Niederlage frenetisch feierte. Er ging als Sieger der Herzen heim, erzählt der Fotograf schmunzelnd.
Und natürlich Landschaften. Nicht die lieblichen, anschmiegsamen blau-weißen Postkartenmotive. Sondern raue Felder, Wälder, Maismonokulturen. Trostlose Dörfer. So, wie es eben ist. Da steht dann schonmal die Garage direkt neben der Kapelle. Oder das Bushäusl im Nirgendwo.
Landschaften. Bild: Anschi Hacklinger
2022 erhielten die beiden Journalisten für die Ausstellung und Buch den Bayerischen Kulturpreis der Bayerischen Landesstiftung. Immer wieder kommen neue Fotos dazu. „Das Thema hört einfach nicht auf“, sind sich die beiden einig. Und so wird es immer noch neue Einblicke in das unbekannte Bayern geben. Und – auch die Besucher werden weiterhin inspiriert sein, genauer hinzuschauen und die schönen, hässlichen und skurrilen Seiten Bayerns zu entdecken.
Weitere Führungen:
Sonntag, 24. März 2024 und Sonntag, 7. April 2024 jeweils um 11 Uhr.
Lesung mit Musik von Anschi Hacklinger (Klavier) und Marion Dimbath (Tuba, Posaune) am Samstag, 20. April 2024 um 20 Uhr in der Weyhalla.
Zum Weiterlesen: Experiment geglückt