Zeitungsente

Zeitungsente und Grubenhund

„Ausverkauft“ war der Abend im Theater an der Mauer. Foto: MZ

Lesung bei der Waldviertel Akademie

„Woran glauben wir noch? Unsere Sehnsucht nach Wahrheit, Vertrauen und Sicherheit“ ist der Titel der Sommergespräche der Waldviertel Akademie 2018. Dazu passt wie kaum ein anderes der Journalismus. Zwei erfahrenen ORF-Journalisten präsentierten einmalig und exklusiv Beispiele für das Auftreten der beiden Tiere.

Das Theater an der Mauer (TAM) in Waidhofen an der Thaya konnte die vielen interessierten Gäste nicht fassen, die zu dieser erstmaligen Kooperation zwischen Waldviertelakademie und TAM gekommen waren, freute sich Direktor Ewald Polacek und Akademie-Geschäftsführer Christoph Mayer versprach, diese Zusammenarbeit fortzusetzen.

Zeitungsente
Martin Haidinger und Reinhard Linke im TAM. Foto: MZ

Mit den beiden ORF-Journalisten Martin Haidinger (Ö1) und Reinhard Linke (ORF Niederösterreich) war es gelungen, zwei Journalisten für einen humorvoll-literarischen Abend der besonderen Art zu gewinnen. Gemeinsam können die beiden auf mehr als ein halbes Jahrhundert Berufserfahrung zurückblicken. Sie hatten Texte zusammengestellt und trugen bekannte und weniger bekannte Falschmeldungen auf unterhaltsame Weise vor.

Karl Kraus und die Journaille

Und so war es als erster Karl Kraus, österreichischer Schriftsteller, Satiriker und Kritiker der „Journaille“, der zu Wort kam. Zwar sei die Zeitung eine Weisheit kündigendes Medium, aber der Nutzer sollte sich nicht dem Offenbarungsschauer hingeben, sondern misstrauisch den geistigen Wert der Meldungen prüfen und nicht ehrfürchtig alles für bare Münze nehmen. Diese Worte des Pressekritikers standen als Motto über dem Abend, sie sind so aktuell wie vor 100 Jahren.

Ursprung von Zeitungsente und Grubenhund

Warum Falschmeldungen in der Presse „Zeitungsenten“ genannt werden, sei unklar, erfuhren die Zuhörer. Vielleicht stamme der Ausdruck aus dem 16. Jahrhundert, wo eine halbe Ente für eine ganze verkauft wurde, oder sie stamme aus der Fastenzeit, wo eine aus Muscheln schlüpfende Ente erfunden wurde, die man ungestraft essen konnte. Oder aber sie kommt vom lateinischen non testatum für nicht bezeugt, abgekürzt n.t., also ente.

Die Donau brennt

Warum der absichtlich gefälschte Leserbrief Grubenhund genannt wird, ist ebenso unbekannt. Auch hier war es Karl Kraus, der zitiert wurde, weil er die Presse mit der Nachricht „Die Donau brennt“ leimte und sicher war, dass die Feuerwehr nicht ausrücken wird, die Zeitung aber Sonderberichterstatter schickt. Auch Helmut Qualtinger leistete sich einen Grubenhund. Alle Wiener Zeitungen berichteten im Juli 1951 von der Ankunft des berühmten Eskimodichters Kobuk in Wien, der Penclub hatte darüber informiert. Aber aus dem Zug stieg Qualtinger im Pelzmantel mit der Bemerkung „Haß is“, er hatte das Originalbriefpapier vom Penclub geklaut.

Die Verlagsbranche war blamiert, als ein gewisser Bob Hansen ein Manuskript einsandte, das keiner drucken wollte. Es gehöre gestrafft und entkrampft, hieß es in der Begründung. Nur, das Manuskript war ein Auszug aus Robert Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“.

Falsche Todesmeldungen

Zurück zu den Zeitungsenten. Am 13. April 1964 ging eine dpa-Meldung um die Welt, dass der Kreml-Chef Nikita Chruschtschow an den Folgen einer akuten Hephocapalytirosises verstorben sei. Keiner wunderte sich über die mysteriöse Krankheit und die Blitzmeldung löste eine mittlere Staatsaffäre aus, bevor sie dementiert werden konnte. Noch skuriller war das Gerücht, das nach einem Mopedunfall Paul McCartneys die Runde machte. Der Beatle sei tot und ein Schauspieler spiele jetzt dessen Rolle. Noch heute würden Fans in aller Welt in Beatlestexten nach dem Wahrheitsgehalt dieser Meldung suchen, erfuhr das staunende Publikum.


Die ORF-Journalisten Martin Haidinger und Reinhard Linke. Foto: MZ

Peinlich hingegen war die Meldung der Wiener Polizei an die Medien 1882, als das Wiener Ringtheater brannte: „Alles gerettet“, während 386 Menschen durch Chaos bei den Einsatzkräften ums Leben kamen.

Hitlertagebücher und „Krieg der Sterne“

Der wohl bekannteste Fall einer Zeitungsente im deutschsprachigen Journalismus waren die gefälschten Hitlertagebücher, die der „Stern“ 1983 veröffentlichte. Einen schlimmeren Medienskandal habe es in Deutschland nicht gegeben, hieß es in der ZEIT.
Ebenso bekannt wurde 1938 eine Sendung im amerikanischen CBS, die zu einer Massenpanik führte. Orson Welles hatte das Buch „Der Krieg der Welten“ von H.G. Wells als Hörspiel aufbereitet, aber die Zuhörer erkannten nicht, dass es Fiktion war, sondern nahmen an, dass wirklich Marsianer in den USA gelandet seien.

Zeitungsente
Marlene Zimmerl begleitete die Lesung musikalisch. Foto: MZ

Und so bleibt es dabei, was Karl Kraus einst riet: Nehmen Sie nicht alles für bare Münze, sondern machen Sie sich selbst ein Bild, unabhängig von einer bestimmten Zeitung.

Musikalisch unterstützt wurde die gelungene Lesung von Martin Haidinger und Reinhard Linke von der jungen Musikerin Marlene Zimmerl aus Waidhofen/Thaya, die mit Gitarre und Gesang für ganz besondere Momente sorgte.

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