Zum Tod von Charlotte Dietrich
Charlotte Dietrich im Künstlergespräch mit dem Rosenheimer Kulturamtsleiter Robert Berberich, 2010. Foto: Isabella Krobisch
Sie war eine Instanz. Künftig auf ihren Rat verzichten zu müssen schmerzt.
Denke ich an Charlotte Dietrich, die vor wenigen Tagen 81-jährig verstorben ist, steht mir das Sinnbild einer unabhängigen Frau vor Augen. Selbstbewusst, aber nie überheblich, felsenfest in ihren Überzeugungen, aber niemals starrsinnig, begeisterungsfähig, aufgeschlossen und liebenswürdig. Eine verlässliche Instanz, die Berge zu versetzen wusste.
Die Ausstellung „Kunst im Landkreis Miesbach“ führte uns in den 80er Jahren zusammen. Als junger Mensch, der in die Kunst hineinzuwachsen suchte, durfte ich von Anfang ihre Wertschätzung und nicht nur einmal Worte der Ermunterung erfahren.
Charlotte Dietrich zweifelte nicht, hatte sie jemanden anerkannt, kam dies einem Ritterschlag gleich, der lebenslang galt. Jury-Sitzungen mit ihr waren ein Hochgenuss. Ihre Kompetenz, ihr sicheres Urteil, aber auch ihr Bestreben, die jungen Künstler zu fördern, ihnen ein Forum zu bieten, waren einmalig und für alle Beteiligten sinnstiftend.
Ich bin dankbar, dieser außerordentlichen Künstlerin schon in jungen Jahren begegnet zu sein und an ihrem Schaffen so lange Zeit Anteil genommen zu haben. Sie war mir in meiner Kulturarbeit stets Maß und Ziel. Sie wusste zu inspirieren, zu korrigieren und sich im rechten Moment zurückzunehmen.
Charlotte Dietrich 2010. Foto: Isabella Krobisch
Charlotte Dietrich gehörte vier Jahrzehnte dem Kunstverein Rosenheim an, sie war seit 1991 Mitglied in Beirat und Jury. „Ihr kompetentes künstlerisches Urteilsvermögen, ihre Aufgeschlossenheit auch gegenüber Neuem und ihr überaus großes ehrenamtliches Engagement bis ins hohe Alter waren einzigartig“, wie es in der am 17. Juni 2017 erschienenen Todesanzeige im Oberbayerischen Volksblatt (OVB) heißt. Ihr künstlerisches Werk hat der Kunstverein Rosenheim 2016 mit dem Kulturpreis ausgezeichnet.
Hannah Stegmayer, die langjährige Kunstvereinsvorsitzende, schrieb im OVB am 10. Juni 2017, „wenn es eine Künstlerin gibt, die unermüdlich zwischen Bonn, München, Schliersee, Bruckmühl und Rosenheim unterwegs war, sich in Gremien engagierte, Ausstellungen initiierte und organisierte und bei all dem keine Neider oder Feinde hatte, dann war es die Zeichnerin Charlotte Dietrich“.
Die Künstlerin engagierte sich auch über drei Jahrzehnte als Mitglied im Verwaltungsrat der VG Bild-Kunst, im Vergabebeirat der Stiftung Sozialwerk der VG Bild-Kunst und in der Jury der Stiftung Kunstfonds ehrenamtlich für ihre Künstlerkollegen.
In dem 2010 erschienenen Band „Neue Zeichnungen“ (ISBN 978-3-9813021-5-8) ist in fundierten Texten und einer repräsentativen Auswahl von Bildern festgehalten, was diese großartige Künstlerin ausmachte.